Unterwegs zum schwarzen Ursprung

Am 28. November kommt Carl Carlton ins Opladener Scala. Geprobt wird für die Tour in den Kölner Maarweg-Studios.

Foto: Stephan Eppinger

Köln/Leverkusen. Die Idee war ungewöhnlich, die Umsetzung stark. Storytelling mit anderen musikalischen Mitteln. Anekdoten mit ruppigen Riffs, mal subtile, mal nachdenkliche Geschichten aus der Rock-Geschichte, erzählt und gespielt von Carl Carlton und seiner Band. Nach der von Kritikern und Publikum hochgelobten Konzertreihe „Woodstock & Wonderland“ im Vorjahr setzt der gebürtige Ostfriese nun seine „Songs & Stories“-Tour fort. Am 28. November ist er zu Gast im Scala Club an der Uhlandstraße in Opladen. Geprobt wird aktuell in den Kölner Maarweg-Studios.

Ausgangspunkt dieses Trips ist die oft besungene Tobacco Road, eigentlich Marvin´s Alley, im Arbeiter- und Elendsviertel in East Durham, North Carolina. Die hatte zumindest John D. Loudermilk vor Augen, als er diesen Klassiker 1959 schrieb und veröffentlichte. Die Tobacco Road führte nach Memphis, wo Elvis schwarze Blues-Dramatik mit weißem Hillbilly-Sentiment vereinte und etwas schuf, was als Rock’n’Roll die Welt nachhaltig verändern sollte. Auf dem Weg nach Graceland, Elvis’ legendärem Wohnsitz, macht Carlton an den Eckpunkten der Rockgeschichte Station.

Wie kam die Idee das Geschichtenerzählen mit einem Konzert zu verbinden?

Carl Carlton: Das hat sich eher zufällig ergeben. Ich arbeite viel in den USA und habe dort diese besondere Konzertform bei Levon Helm miterlebt, der für mich Woodstock zu einer zweiten Heimat gemacht hat. Das waren sehr intime Auftritte, bei denen zu jedem Song immer die Geschichte dahinter erzählt wurde. Es ging dabei auch darum, wie sich unsere moderne Popmusik entwickelt hat und wo deren Wurzeln liegen. Zu diesen Konzerten kam wirklich Gott und die Welt, darunter auch viele bekannte Kollegen wie beispielsweise Norah Jones oder Elvis Costello. Nach dem Tod von Levon und mit meiner Trauer hat sich die Idee zu so einer Tour entwickelt.

Und dann ging es los mit „Songs & Stories“

Carlton: Ja, ich habe bei der Solotour mit meiner Band sehr viele Geschichten erzählt und hatte schon Sorgen um das Publikum. Aber das ist geblieben, selbst nachdem ich nach zwei Stunden eine kleine Pause gemacht habe. Freunde haben mir später erzählt, dass die Leute die Geschichten wirklich toll fanden, weil sie so viel zu den einzelnen Songs erfahren haben.

Was hat es jetzt mit der Tabacco Road auf sich?

Carlton: Die Tabacco Road ist eine Metapher für Afrika und für die Sklaven, die nach Amerika gebracht wurden. Ich habe lange mit Robert Palmer gearbeitet und er hat immer gesagt, alles hat seinen Ursprung im Urbeat aus Afrika. Durch die Begegnung von europäischer und afrikanischer Musik sind der Bossa Nova und der Fado genauso entstanden wie Reggae oder Hillbilly. Der schwarze Faden zieht sich durch die Musikgeschichte über Elvis bis zum heutigen Pop.

Wie schwer war da die Auswahl der Songs?

Carlton: Die war ziemlich schwer — vor allem bei Elvis. Seine pathetische Art zu singen, liegt mir nicht, daher habe ich auf Versionen zurückgegriffen, die andere Künstler von seinen Stücken gemacht haben. Es finden sich aber auch Lieder von Größen der zweiten Generation wie Chuck Berry und Tom Petty, die im Vorjahr gestorben sind, ihren Platz. Dazu kommen Songs von den Beatles oder „Redemption Song“ von Bob Marley. Das Thema Liebe spielt eine wichtige Rolle bei dieser Tour. Kombiniert wird alles mit eigenen Songs, die zwischen den anderen Stücken einstreue.

Waren Sie selbst schon mal bei Elvis Graceland?

Carlton: Ja, da gab es für mich das volle Programm mit gekauften T-Shirts, den Besuch des Grabes mit seinen Plastikblumen und der Wohnräume. Ich war gleichzeitig beeindruckt und geschockt. Der „White-Trash“-Geschmack bei der Einrichtung war nicht so mein Ding. Außerdem habe ich auch die Studios in Memphis und Nashville abgeklappert. Es war spannend, an diesen Orten die Ursprünge zu erleben. Musik war damals kein Mittel zum Zweck, sondern ein ehrliches Gefühl, das über die Musik vermittelt wurde. Das kommt meiner Art, Musik zu machen, sehr nahe. Das möchte ich in den Konzerten auch an die nächste Generation weitergeben. Mich erschreckt es manchmal, dass Leute immer weniger zuhören. So wird von den Rechten in den Staaten „Born in the USA“ von Bruce Springsteen mit gegrölt. Ein Song, der sich klar gegen die US-Administration stellt, und der mit rechtem Gedanken überhaupt nichts zu tun hat. Da muss man das Bewusstsein erst wieder herauskitzeln, was ich bei der aktuellen Tour versuche.

Wo lagen Ihre ersten musikalischen Bezüge?

Carlton: Meine ersten Platten hatte ich von den Beatles und den Stones. Früh hat mir schwarze Musik wie Rhythm & Blues oder Soul gefallen. Mich haben die schwarzen Beats fasziniert. Später kamen dann auch noch Bluebeat und Reggae mit Desmond Dekker, Jimmy Cliff und Bob Marley dazu.

Kommen zu den Konzerten mehr ältere oder mehr junge Fans?

Carlton: Zunächst waren es bei der „Woodstock“-Tour mehr Leute der älteren Generation. Das hat sich dann aber immer mehr geändert. Die Kreativität steckt in jedem Menschen. Es ist aber immer eine Frage, wie man junge Menschen erzieht und wie man sie an die Kultur heranführt. Da entscheidet sich dann, ob man nur am schnellen Kommerz und am In-Sein interessiert ist oder ob man wirklich Interesse für Kultur zeigt. Ich finde es schrecklich, dass bei den Streichungen im Kulturbereich Fächer wie Kunst, Musik oder Sport besonders leiden. Das müssten eigentlich die wichtigen Hauptfächer sein. Da sollte endlich ein Aufschrei durch die Gesellschaft gehen.

Wie ist Ihre Beziehung als gebürtiger Ostfriese zum Rheinland?

Carlton: Ich bin mit 18 aus meiner alten Heimat in Richtung Niederlande weg und habe seitdem nicht mehr in Deutschland gewohnt. Aktuell habe ich meine Wohnsitze in den USA und auf der maltesischen Insel Gozo, dem Ostfriesland des Südens. Meine Band lebt in den USA, es gab aber Überlegungen der Musiker, nach Köln zu ziehen. Das liegt auch an der tiefen Depression durch die aktuelle Trump-Regierung. Die Leute haben die Schnauze voll von diesem Präsidenten. Meinen neuen Bezug zu Deutschland habe ich auch durch die gemeinsame Arbeit mit Peter Maffay und Udo Lindenberg bekommen. Meine Freundin ist die Schwester von Gentleman und die lebt hier im Belgischen Viertel. So bin auch ich oft in Köln und mag diese Stadt ebenfalls sehr. Den ersten Bezug zu Köln hatte ich übrigens in Ostfriesland durch einen Viehhändler, der aus dem Rheinland zu uns kam.