Wanderzirkus: Keine Manege ohne Publikum

Familie Frank hat ihre Artisten heimgeschickt. Seit Wochen kommt niemand mehr zu den Vorführungen.

Burscheid. Die Zirkuswagen stehen auf der Wiese in Kaltenherberg - wie immer, wenn mal wieder ein Wanderzirkus in der Stadt ist. Aber kein Zelt weit und breit. Nando und Anja Frank haben ihre Techniker, Arbeiter und Artisten nach Hause geschickt. Derzeit gibt es nichts zu verdienen. Zu den Aufführungen kommt kein Mensch.

Seit 1861, sagen die beiden, befinde sich der Zirkus Payazzo in Familienbesitz, mittlerweile in der fünften Generation. "Aber so etwas haben wir unser ganzes Leben noch nicht erlebt", sagt Nando Frank.

In Leverkusen, der vorletzten Station, wurde die Manege noch einmal freigegeben: für zehn Personen. In Leichlingen-Trompete, dem letzten Halt vor Burscheid, kam gar keine Aufführung mehr zustande. Die Fußball-Weltmeisterschaft und die Hitzewelle haben das kleine Familienunternehmen in eine echte Notlage gebracht.

Die WM, weil ein Wanderzirkus gegen den Publikumsmagneten Nummer eins nicht ankommt, selbst wenn Nando Frank für sich in Anspruch nimmt, ein modernes Programm zu präsentieren, das schon seit Jahren aus Tierschutzgründen auf Tiernummern verzichtet, und die Hitzewelle hat ihr Übriges getan, weil es niemanden in den Glutofen unter dem Zeltdach zieht.

Seit sieben Jahren spielt der Zirkus ohne Pause, ein Winterlager gibt es nicht. Mit Schulprojekten hält sich die Familie nebenher über Wasser. 4000 bis 5000 Euro, so kalkuliert Nando Frank, sind für Platzgebühren, Werbung, Strom und Sprit fällig, ehe noch die erste Aufführung über die Bühne gegangen ist. Geht das an ein oder zwei Standorten schief, wird es eng.

Und die Probleme beginnen. Mit der Energieversorgung Leverkusen (EVL) gab es Ärger wegen des Standrohrs, über das sich der Zirkus mit Wasser versorgt. In Trompete befürchtet der Schützenverein, auf den Kosten sitzen zu bleiben, die der Zirkus auf seinem Gelände verursacht hat. Und in Burscheid haben die Stadtwerke zwischenzeitlich ihr ausgehändigtes Standrohr wieder eingezogen und eine Kaution verlangt.

Inzwischen konnte die Sache mit der EVL geklärt werden, die Schützen in Trompete sind immerhin noch im Besitz der Kaution und die Stadtwerke haben auf selbige verzichtet und ihr Standrohr wieder zur Verfügung gestellt.

"Wir wollen ja bezahlen, wenn wir wieder Einkünfte haben", sagt Anja Frank. Aber derzeit reicht das Geld nicht einmal, um den reparierten Futter- und Werbe-Lkw von der Werkstatt in Leverkusen wieder abzuholen. Die Nerven liegen blank.

Jetzt hofft die Zirkusfamilie auf ein Ende der Hitzewelle. Aber zuversichtlich schaut Nando Frank nicht in die Zukunft. "Wir dürfen nicht mehr so viel Werbung machen. Die Wirtschaftskrise raubt uns unser Publikum. Und das Interesse am Zirkus ist einfach nicht mehr so groß wie früher."

Seit Jahren tourt der Zirkus nur noch durch Nordrhein-Westfalen, um in der Nähe der "Schule für Circuskinder der Evangelischen Kirche im Rheinland" zu sein. Zwei- bis dreimal pro Woche erhalten die zehn Kinder auf dem Gelände so ihren Unterricht, der Rest erfolgt über das Internet. "Wenn es den Zirkus eines Tages nicht mehr gibt", sagt Nando Frank, "dann sollen meine Kinder wenigstens eine andere Ausbildung haben."