Zwei Burscheider im Paradies
Die beiden Globetrotter aus der Lindenstadt haben es in Australien gut angetroffen.
Victoria/Australien. Auf den „Buschwecker“ ist Verlass. Um fünf Uhr morgens begrüßen Kakadus und Kookaburras laut singend und kreischend den anbrechenden Tag. Mit einem kleinen Wohnmobil machen wir eine Rundreise durch Victoria, bevor wir Süd- und Westaustralien bereisen wollen.
Die Nächte verbringen wir naturnah in Nationalparks oder auf Campingplätzen. Hautnahe Begegnungen mit Kängurus, Koalabären, Possums, Wombats und Echidnas sind die Folge, ebenso die vielstimmigen Weckrufe der buntgefiederten Vögel. So kämpfen wir mit den Papageien und Kakadus um unser Frühstück, werden nachts von Koala-Revierkämpfen geweckt. Koalas grunzen wie Schweine — allerdings ziemlich laut und für ungewohnte Ohren recht eindrucksvoll. Und wir freuen uns über die Besuche von Possums an unserem Lagerfeuer.
Weniger begehrt sind Begegnungen mit den unter Naturschutz stehenden, aber fast ausschließlich hochgiftigen Schlangen. „Bisswunde bandagieren, nicht abbinden, ruhig verhalten und Hilfe abwarten“, lautet die empfohlene Vorgehensweise im Falle eines Bisses.
Bei einer mehrstündigen Buschwanderung im Mount Buffalo-Nationalpark schlängelt sich dann tatsächlich eine Tiger (schwarze hochgiftige australische Schlange) über den schmalen Pfad und sorgt für einen ordentlichen Adrenalinschub bei uns. Hilfe holen würde sich in dieser Situation als schwierig erweisen, da wir auf der gesamten Kraxeltour nicht einem einzigen Menschen begegnet sind. Zum Glück verschwindet das Kriechtier wieder im Unterholz des Eukalyptuswaldes. Der Ausblick vom Berggipfel „The Horn“ entschädigt uns später für den kurzen Schreckmoment.
Für die einen war er ein Outlaw, für die anderen ein Held und Visionär: Ned Kelly. 1854 in Australien geboren, arbeitete er als Bushranger und setzte sich für die irischen Einwanderer ein, die unter der britischen Obrigkeit litten. Verfolgt und für vogelfrei erklärt, beging er spektakuläre Banküberfälle, bei denen er sich mit einer spektakulären Rüstung schützte. 1880 wurde er schließlich nach einem letzten, blutigen Gefecht in Glenrowan gefangengenommen und später geköpft. Da halfen auch die 30 000 Gnadengesuche seiner inzwischen vielen Anhänger nichts mehr. Selbst heute noch verkörpert Ned Kelly ein Stück australischer Identität und das ihm gewidmete Museum in Glenrowan ist nach wie vor ein Wallfahrtsort.
Die „Great-Ocean-Road“ ist nicht zu unrecht ein Touristenmagnet. Dieser, von Heimkehrern des ersten Weltkrieges erbaute Highway führt oft parallel zur dramatischen Steilküste an atemberaubenden Landschaften vorbei. Gewaltige Brecher rollen unentwegt auf die schroffe Felsküste zu und haben faszinierende Skulpturen geformt. Die bekanntesten turmhohen Sandsteingerippe, die Wind und Wasser bisher trotzen konnten, werden als die „Zwölf Apostel“ vermarktet. Die vielen Aussichtsplattformen, die an der hunderte von Kilometer langen Küste platziert wurden, sind alle einen Besuch wert. Das türkisblaue Wasser, die goldgelben Sandstrände und die meterhoch peitschende Gischt könnte man sich Stunden anschauen.
Die Naturgewalten so nah spürend, wird uns klar, woher der Begriff „Schiffswrack-Küste“ kommt. Ende des 19. Jahrhunderts sind zahllose Schiffe mit vielen erwartungsfrohen Siedlern und Goldsuchern an Bord an den heimtückischen Riffen zerschellt.
Die vielen kleinen Orte, die zwischen 1850 und 1880 gegründet wurden, haben sich ihren „Pionierzeit-Charme“ größtenteils erhalten. Heute oftmals von weit weniger als hundert Leuten bewohnt, verfügen sie jedoch allesamt über einen „Historic Walk“. Der kurze Rundgang zeigt oftmals die alte Poststation, das erste Hotel oder den ersten Pub und natürlich das damalige Gefängnis.
Wenn man sich vorstellt, wie sich die Siedler damals ohne Strom, ohne Frischwasser und ohne Telegraphen in der einsamen Umgebung behauptet haben, dann kann man den Stolz der Bewohner für die für uns Europäer doch eher jungen Gebäude gut vorstellen.