Corona-Pandemie So läuft es mit den Auffrischungsimpfungen in NRW

Düsseldorf · Die Corona-Lage spitzt sich zum nahenden Winter wieder zu. Auf den Intensivstationen liegen größtenteils ungeimpfte Patienten. Millionen Auffrischungsimpfungen sollen erfolgen - Fragen und Antworten.

Eine Spritze wird vor den Schriftzug „Impfung“ gehalten. Foto: Friso Gentsch/dpa/Symbolbild

Angesichts der wieder sprunghaft steigenden Corona-Zahlen machen die Landesregierung und Ärztefunktionäre Druck bei den Auffrischungsimpfungen. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) lässt Menschen über 70 Jahre nach und nach gezielt anschreiben. Ärztefunktionäre fordern kürzere Vorlaufzeiten für die Bestellung von Impfstoff.

Rund 4,5 Millionen Menschen haben in Nordrhein-Westfalen Anspruch auf eine Corona-Auffrischungsimpfung. In den Altenheimen hätten bereits 90 Prozent den „Booster“ erhalten, so Laumann. Insgesamt erhielten nach Angaben des Gesundheitsministeriums bisher rund 470.000 Menschen die Auffrischung. Diese sollen frühestens ein halbes Jahr nach der Zweitimpfung verabreicht werden.

Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe forderte von der Landesregierung, die Lieferzeiten für bestellte Corona-Impfstoffe von 14 Tagen auf eine Woche zu senken. In absehbarer Zeit brauchten rund 25.000 Menschen pro Tag eine Auffrischungsimpfung, sagte der Vorstandsvorsitzende Dirk Spelmeyer. Die niedergelassenen Ärzte seien in der Lage, die Booster-Impfungen zu bewältigen, bekräftigten sowohl die KV-Vorstände als auch Laumann. Der Chef der KV Nordrhein, Frank Bergmann, empfahl Patienten, sich rechtzeitig einen Termin beim Haus- oder Facharzt geben zu lassen. Er verwies darauf, dass die Grippeschutz-Impfung und die Corona-Auffrischungsimpfung gleichzeitig verabreicht werden könnten.

Für wen wird die Corona-Booster-Impfung empfohlen?

Die Ständige Impfkommission empfiehlt die „Booster“-Impfung unter anderem für Menschen ab 70 Jahren, für Pflegeheimbewohner sowie für Pflegepersonal in Heimen und medizinischen Einrichtungen, das in direktem Kontakt zu alten Menschen und Patienten steht. Laumann selbst braucht noch keine Auffrischungsimpfung: „Nein, bei mir ist die zweite Impfung noch gar nicht lang genug her. Und außerdem bin ich, wie Sie sehen, unter 70.“

Spelmeyer empfahl die Auffrischungsimpfung teils auch schon für jüngere Gruppen - etwa für Lehrer, vor allem aber für Kita-Erzieherinnen, die zweifach mit Astrazeneca geimpft worden seien. Da sie mit ungeimpften Kindern zu tun hätten, sei das Infektionsrisiko für sie höher als für andere. Auch die Gesundheitsministerkonferenz hatte den mit Astrazeneca oder Johnson&Johnson geimpften Personen unabhängig vom Alter empfohlen, einen Arzttermin für eine Auffrischung mit einem mRNA-Impfstoff zu vereinbaren.

Wem die Ständige Impfkommission (Stiko) die Auffrischung empfiehlt.

- Personen ab 70 Jahren
- Bewohnern und Betreuten in Pflegeeinrichtungen für alte Menschen (wegen erhöhten Ausbruchspotenzials hier auch für Menschen unter 70)
- Pflegepersonal mit direkten Kontakt zu alten Menschen oder anderen Personen mit erhöhtem Risiko für schwere Covid-19-Verläufe
- Personen in medizinischen Einrichtungen mit Patientenkontakt
- Menschen mit geschwächtem Immunsystem

er mit einem sogenannten Vektorimpfstoff von Astrazeneca oder Johnson & Johnson geimpft wurde, kann sich eine Auffrischung mit einem mRNA-Impfstoff (Biontech, Moderna) holen.

Wer mit dem Vakzin von Johnson & Johnson geimpft wurde, muss laut RKI auch kein halbes Jahr warten mit der Auffrischung - sie könne diesen Personen schon nach vier Wochen angeboten werden.

Wer kann sich noch eine Auffrischung holen?

Menschen ab 60 Jahre kann sie nach ärztlicher Beratung angeboten werden, das hatten die Gesundheitsminister von Bund und Ländern beschlossen. Auch wer mit einem sogenannten Vektorimpfstoff von Astrazeneca oder Johnson & Johnson geimpft wurde, kann sich eine Auffrischung mit einem mRNA-Impfstoff (Biontech, Moderna) holen.

Wer mit dem Vakzin von Johnson & Johnson geimpft wurde, muss laut RKI auch kein halbes Jahr warten mit der Auffrischung - sie könne diesen Personen schon nach vier Wochen angeboten werden.

Und alle anderen?

Die Impfverordnung sieht die Möglichkeit für Auffrischungsimpfungen grundsätzlich für alle vor, für die es zugelassene Impfstoffe gibt. Lediglich die von der Stiko jeweils empfohlenen Impfabstände sind einzuhalten - das schreibt die Impfverordnung vor. Von den schon genannten Ausnahmen abgesehen sind das meist sechs Monate.

Der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat am Freitagmorgen im rbb-Inforadio auch nochmal klargestellt: Für alle anderen sei eine Auffrischung auch möglich. „Wir haben Impfstoff mehr als genug.“

Es kann jedoch vorkommen, dass Ärztinnen und Ärzte darauf verweisen, dass sie zunächst vor allem die gefährdeten Personengruppen auffrischen. Hier ist also Geduld und Verständnis gefragt.

Und wie kommt man an einen Termin?

Die erste Anlaufstelle ist der Hausarzt oder die Hausärztin. Wer dort nicht weiterkommt oder keine feste hausärztliche Praxis hat, kann zum Beispiel bei der kostenlosen Hotline 116 117 der Kassenärztlichen Bundesvereinigung anrufen und nach Terminen fragen.

Eine weitere Anlaufstelle ist das vom Bundesgesundheitsministerium betriebene Portal „zusammengegencorona.de“. Dort gibt es zum Beispiel eine interaktive Deutschlandkarte, in der man Links, Telefonnummern sowie konkrete Impfangebote findet.

Ist es schlimm, wenn man zu lange wartet mit der Auffrischung?

Carsten Watzl sagt dazu: Die rund sechs Monate Abstand nach der zweiten Impfung seien für Personen ohne Immunschwäche ein Richtwert. Aus immunologischer Sicht sei alles zwischen vier und acht Monaten „wohl okay“.

Ob man sich infiziere, hänge aber nicht nur davon ab, wie gut der Immunschutz ist, so der Experte, sondern auch davon, wie stark man dem Virus ausgesetzt ist. „Daher geht aktuell das Infektionsrisiko auch nach oben, wenn die Inzidenzen steigen.“

Was bringt eine Auffrischungsimpfung gegen Corona?

Sie stärkt das Immunsystem nochmals gegen das Sars-CoV-2-Virus. Dafür erhalten vollständig geimpfte Menschen eine weitere Dosis eines zugelassenen Covid-19-Impfstoffs. Man spricht auch von einem „Booster“. Der Begriff kommt aus dem Englischen und lässt sich zum Beispiel mit „Verstärker“ übersetzen.

Wer sollte sich einen „Booster“-Pieks geben lassen und warum?

Aus immunologischer Sicht und beim Blick auf die Daten macht der Booster nach rund sechs Monaten für alle Geimpften Sinn, denn die Schutzwirkung wird dadurch noch einmal verstärkt. Für einige Personengruppen ist der erneute Pieks aber besonders ratsam.

So reagieren Menschen mit stark geschwächtem Immunsystem, etwa in Folge einer Chemotherapie oder eines angeborenen Immundefekts, teils gar nicht oder nicht richtig auf die Impfung. Bei ihnen sollte man sogar schon 28 Tage nach der zweiten Impfung erneut impfen, rät Immunologe Prof. Carsten Watzl.

„Denn dann ist das ja gar keine Auffrischung, sondern dient in erster Linie dazu, erst überhaupt einmal einen Impfschutz herzustellen“, begründet der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Ob und wie die Impfung angeschlagen hat, darüber kann ihnen ein Antikörpertest gewisse Klarheit bringen.

Eine weitere Gruppe, die im Fokus steht, sind hochbetagte Menschen. Bei ihnen ist der durch die Impfung aufgebaute Immunschutz gegen das Virus im Vergleich zu Jüngeren häufig nicht so hoch und lässt mit der Zeit nach, schreibt das Robert Koch-Institut (RKI). Folge: Es treten vermehrt Impfdurchbrüche auf und es komme auch häufiger zu schweren Krankheitsverläufen unter den Älteren.

Besonders nimmt Watzl Menschen in Pflegeeinrichtungen in den Blick. „Da dies die Personen mit dem höchsten Risiko für einen schweren Verlauf sind, ist es wichtig, sie besonders gut zu schützen.“

Wie ist die Corona-Lage in NRW?

Auch in NRW steigen die Corona-Zahlen wieder rasant. Am Freitag lag die Sieben-Tage-Inzidenz in NRW mit 99,7 laut Zahlen des Robert Koch-Instituts nur noch knapp unter 100. Am Montag betrug der Wert noch 77,2. Im Bundesschnitt wurde am Freitag eine Sieben-Tage-Inzidenz Wert von 139,2 verzeichnet. In den Krankenhäusern lagen mit Stand Freitag nach Landesangaben 1211 Covid-19-Patienten, davon 334 auf Intensivstationen. 203 Patienten mussten beatmet werden.

Bei den Fällen auf den Intensivstationen - „das kann man gar nicht oft genug sagen“ - seien über 80 Prozent der Patienten nicht geimpft, so Laumann. Die anderen 20 Prozent seien zwar geimpft, aber „hochaltrige Menschen“ oft mit Vorerkrankungen. „Wenn sich wirklich alle Menschen impfen lassen würden, hätten wir nicht die Probleme in den Krankenhäusern.“ Laumann warb erneut eindringlich für die Corona-Impfungen - auch mit Blick auf die Freiheiten der Geimpften. „Man lebt schon bequemer, wenn man geimpft.“

Von der Frage der Verschiebung planbarer Operationen wegen der Corona-Lage sieht Laumann das Land noch weit entfernt. Es sei aber eine Frage, ob man es verantworten könne, medizinische Eingriffe für geimpfte Menschen zu verschieben, weil ungeimpfte Patienten auf den Intensivstationen lägen. Zugleich warnte Laumann: Wollte man in einer solchen angespannten Corona-Lage wieder zu Kontaktbeschränkungen kommen, werde das erst einmal Ungeimpfte treffen. Geimpfte Menschen dürften verfassungsrechtlich in der Frage der Freiheitseinschränkungen nicht genauso behandelt werden wie ungeimpfte Menschen. Er sei aber „optimistisch, dass uns dieses Problem erspart bleibt““.

Debatte um Wegfall der Maskenpflicht in Klassen

Laumann rechtfertigte den Wegfall der Maskenpflicht im Schulunterricht, obwohl die Corona-Zahlen wieder steigen. Es sei ein Abwägungsfrage, 2,5 Millionen Kindern zu sagen, sie müssten den ganzen Tag eine Maske tragen. Zudem gebe es mit den engmaschigen Tests und der ausgeweiteten Quarantäneregelung ein Sicherheitskonzept, und ein großer Teil von Schülern, Eltern und Lehrern sei geimpft. Laumann stellte klar, dass Masken in der Klasse nicht verboten seien. Jedes Kind könne freiwillig eine Maske tragen.

Der Wegfall der Maskenpflicht im Unterricht zum 2. November kann nicht von den Schulen in Nordrhein-Westfalen ausgehebelt werden. Das stellte das Schulministerium klar. Einzelne Schüler hätten aber Entscheidungsfreiheit. Schulen dürften keine eigenen Regelungen erlassen.

(dpa/red)