Unterwegs mit einem Fahrer Was nachts in Düsseldorf mit den E-Scootern passiert
Düsseldorf · Um 22 Uhr verlässt Yalcin Demirpolat mit einem großen Sprinter die Fabrikhalle am Stadtrand. Sein Einsatzgebiet heute Nacht: Oberkassel. Hier wird er die Elektro-Roller einsammeln.
Um 22 Uhr verlässt Yalcin Demirpolat mit einem Sprinter die Fabrikhalle am Stadtrand. Sein Einsatzgebiet heute Nacht: Oberkassel. Hier wird er die Elektro-Roller einsammeln. Die Roller sind alle mit GPS ausgestattet. Sein Navigationsgerät zeigt ihm an, wo sie ungefähr stehen. Dann steigt er aus und sucht sie. Mal stehen sie 20 Meter weiter, mal auf der anderen Straßenseite, mal versteckt in einer Nebenstraße. Um den Roller in den Transporter zu stellen, entsperrt er ihn, so kann er zum Sprinter fahren und muss das 20 Kilo schwere Gefährt nicht tragen. Zwei Mal muss er die Roller in einer Nacht einladen, zwei mal wieder ausladen. „Die ersten ein, zwei Mal war es schwierig“, meint der 28-Jährige. Jetzt hat er sich dran gewöhnt. „Da spart man sich das Fitnesscenter.“
Yalcin Demirpolat ist einer von vielen Fahrern, die nachts die E-Scooter einsammeln, sie zum Aufladen in die Halle bringen und sie dann am frühen Morgen wieder in der Stadt verteilen. Es geht auch um die Sicherheit. „Nachts ist die Versuchung groß, Vandalismus zu betreiben“, sagt City-Manager Peter Russ. Vorkommnisse wie in Frankreich, wo Jugendliche die Roller massenhaft in einen Fluss werfen, habe es aber noch nicht gegeben.
Wenige Roller, die noch nicht leer gefahren sind, lassen sie auf der Straße stehen. „Wir sehen bei jedem Roller welchen Akkustand er hat. Es gibt auch eine Tagschicht, die rausfährt und leer gefahrene Roller einsammelt“, erklärt Russ. Der Akku reicht für 35 Kilometer. „Die meisten Nutzer fahren damit Strecken von unter fünf Kilometern“, sagt Russ. „Langfristig ist die Vision, den privaten Pkw aus dem Stadtverkehr zu drängen.“ Wenn die Kombinationsmöglichkeiten aus verschiedenen Verkehrsmitteln, beispielsweise ÖPNV und Rollern, gut etabliert sind, wäre das zu schaffen.
Das nächtliche Einsammeln ist ein bisschen wie Ostereier suchen. „Irgendwo hier muss er sein,“ sagt Demirpolat. Mit wachem Blick fährt er durch die Straßen. Er steigt aus und guckt. Links, rechts, dann flasht er den Roller an. Die Alarmanlage des Rollers heult auf. So kann er ihn orten. Gerade in Wohngebieten schallt der Ton durch die ganze Straße. Danach dringt noch einmal das Zuschlagen der Transportertüren durch die Nachtstille. Beschwerden habe es noch nicht gegeben. Einen Roller findet Demirpolat trotz langer Suche nicht. Ein paar weitere versprengte, bei denen das GPS nicht richtig funktioniert, muss die Tagschicht noch einmal suchen fahren.
Um 00.25 Uhr hat Demirpolat sein Soll von 35 Rollern erfüllt. Der Transporter ist voll. Wieder zurück an der Fabrikhalle angekommen, sind vier seiner Kollegen schon dabei, sie zu entladen. Nach und nach kommen die anderen an. Die einzige Frau, die ihre erste Schicht in dieser Nacht fährt, ist auch bis um kurz vor 2 Uhr noch nicht zurückgekehrt. Die Fahrer sind über verschiedene Logistikpartner angestellt.
Täglich kommen neue hinzu. Denn auch die Anzahl der Roller wurde kürzlich auf rund 800 aufgestockt. Die Nachfrage ist hoch. „Wir erleben gerade den Sommerhype, jeder will mal fahren“, sagt City-Manager Peter Russ. Die Roller sollen aber auch im Winter bereitstehen. Erfahrungen aus Norwegen zeigten, dass es sich auch dann lohnt. Noch gehen die Fahrer bei angenehmen Temperaturen auf Sammeltour. Kalte, verregnete Nächte sind absehbar.
Fahrer überprüfen Roller auf Fahrtüchtigkeit
Tankrut Topuz packt mit an. Demirpolat stellt die Roller an die Türen, Topuz stellt sie auf den Hallenboden. „Wir helfen uns alle gegenseitig“, sagt er. Vor dem Fahrerjob arbeitete er im Sicherheitsdienst. Nachtschichten sind für ihn also kein Problem. „Der Job macht Spaß“, sagen alle. Zur Motivation dröhnen die Rapper Azad und Motrip aus den Lautsprechern eines Transporters. Selbst der Vorarbeiter hat eine Bluetoothbox an seinem Lenker hängen.
Die Fahrer heizen mit den E-Scootern zu den Ladestationen. Rund 100 Stück stehen in einer Reihe. „Sie sind dazu angehalten, ein paar Meter bewusst zu fahren“, sagt City-Manager Russ. Einmal Gas geben, abbremsen, gucken ob das Licht funktioniert und das Nummernschild noch sitzt. „Es gibt auch Anbieter, die ihre Roller von Privatpersonen aufladen lassen,“ erzählt Russ, „die wissen dann aber gar nicht, wie ihre Roller aussehen.“ In der Halle am Stadtrand werden die kaputten aussortiert und von Mechanikern repariert. Bisher halten die Roller rund sechs Monate. Schuld tragen daran auch die Nutzer. So sind die Roller nur bis 95 Kilogramm ausgelegt, nicht selten fahren aber zwei Personen auf einem und beanspruchen den Roller über Gebühr. Auch denken manche, dass die Abdeckung auf dem Hinterrad eine Bremse sei. Ist es aber nicht. Dementsprechend sind auch die Verschleißerscheinungen.
Seit dem 22. Juni stehen die E-Scooter in acht Städten zum Verleih bereit. „Und weitere Städte sind in Planung“, sagt der City-Manager.„Wenn man die Leute sieht, die haben ein Lächeln auf dem Gesicht beim Fahren,“ freut sich Russ. Die Fußgänger und Autofahrer, die sich über rücksichtslose Rollerfahrer beschweren, sehen das vielleicht etwas anders. Russ stehe in engem Austausch mit der Stadt.
Wenn alle Roller am Stromkabel hängen, gönnen sich Demirpolat und die Fahrer ihre Pause. In einer rustikal eingerichteten Lounge mit Sofa und Musik warten sie, bis die Akkus geladen sind. Und dann heißt es: Wieder in die Transporter einladen, rausfahren und an strategisch guten Punkten abstellen.