Reicht der Impfstoff? Das soll sich demnächst für Dreifach-Geimpfte ändern
München · Im Kampf gegen die Corona-Pandemie sollen erste Erleichterungen für Menschen mit Dreifach-Impfung möglich werden. Bund und Länder wollen so auch die Booster-Kampagne forcieren. Kommt genug Impfstoff nach?
Für Geimpfte mit Booster-Auffrischimpfung sollen zusätzliche Tests bei Corona-Zugangsregeln vorerst weitgehend wegfallen. Darauf verständigte sich die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) von Bund und Ländern am Dienstag, nachdem einige Länder schon so vorgehen. Die Erleichterungen beim Zugang nach dem Modell 2G plus sollen aber spätestens nach zwei Monaten überprüft werden, wie der GMK-Vorsitzende, Klaus Holetschek (CSU) aus Bayern, sagte. Um die Booster-Kampagne voranzutreiben, werde Anfang 2022 außerdem noch mehr Impfstoff gebraucht - das habe auch der neue Bundesminister Karl Lauterbach deutlich gemacht. Der SPD-Politiker erwartet noch vor Weihnachten eine erste Stellungnahme eines neuen Corona-Expertenrats.
Lauterbach erläuterte vor der Beratung mit den Ländern: „Der Verzicht auf die Testung von Geboosterten macht epidemiologisch Sinn.“ Mit einer Auffrischimpfung habe man nur noch ein geringes Risiko, sich zu infizieren - und ein noch geringeres, dass man für andere ansteckend sei. „Somit ist das ein hohes Sicherheitsniveau.“ Die Erleichterungen setzten auch das Signal: „Der dreifache Schutz ist der vollständige Schutz“, sagte Lauterbach nach Teilnehmerangaben in der Runde.
Allerdings soll laut dem Beschluss beim Zutritt zu medizinischen und Pflege-Einrichtungen zum Schutz der dortigen besonders verwundbaren Menschen weiterhin auch von Geboosterten zusätzlich ein negatives Testergebnis verlangt werden. Die Erleichterungen sollen spätestens nach zwei Monaten bewertet und gegebenenfalls entsprechend der Lagedynamik angepasst werden, sagte Holetschek.
Konkret geht es um Corona-Regeln nach dem Modell 2G plus - also, wenn bei Zugang nur für Geimpfte und Genesene (2G) auch von ihnen noch ein Test verlangt wird. 2G gilt nach den jüngsten Bund-Länder-Beschlüssen etwa für Gaststätten, Freizeit- und Kultureinrichtungen - ergänzend können auch noch 2G-plus-Vorgaben dazu kommen. Holetschek erläuterte, dass eine Befreiung 15 Tage nach der Booster-Impfung greifen könne. Die verstärkende dritte Spritze soll in der Regel fünf bis sechs Monate nach einer vollständigen Grundimmunisierung gegeben werden.
Für die Fortsetzung der Booster-Kampagne rückt jedoch auch der Impfstoff-Nachschub stärker in den Blick. Holetschek verwies auf Angaben Lauterbachs. Der neue Minister habe in der Runde berichtet, dass er nach einer Inventur der Meinung sei, dass es schon noch mehr Impfstoff bräuchte, um der Booster-Kampagne Fahrt zu verleihen. Die Länder hätten den Bund bestärkt, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um mehr Impfstoff zu beschaffen - gerade auch für das erste Quartal 2022, sagte Holetschek. Der „Spiegel“ zitierte Lauterbach aus der Schalte mit den Worten „Wir haben einen erheblichen Impfstoffmangel im kommenden Jahr.“ Das sei das Ergebnis der Inventur. Für das erste Quartal reichten die Mengen nicht, um die Booster-Kampagne zu fahren.
Ein von der neuen Bundesregierung eingesetzter Corona-Expertenrat nahm am Dienstag die Arbeit auf. Lauterbach erwartet eine erste Stellungnahme zur neuen Virusvariante Omikron noch vor Weihnachten. „Das wird die Grundlage wichtiger Entscheidungen sein, die wir im Bezug auf Omikron zu treffen haben.“ Dem Gremium gehören unter anderem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Kinderärzte sowie Bildungsforscher an. Omikron bereitet Politik und Wissenschaft Sorgen wegen seiner besonders schnellen Ausbreitung.
Mit Blick auf mögliche weitere Einschränkungen an Weihnachten hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach der jüngsten Bund-Länder-Spitzenrunde gesagt, man wolle wissenschaftliche Expertise einholen und dann schauen, ob die Maßnahmen ausreichten. Notfalls würden kurzfristig auch weitere Entscheidungen auf die Tagesordnung kommen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte in München: „Wir brauchen für Omikron einheitliche nationale Regeln.“ Sofern keine Ministerpräsidentenkonferenz mehr vor Weihnachten möglich sei, halte er eine Terminansetzung „sehr früh im Januar“ für wichtig.
An den Test-Erleichterungen für Geboosterte wurde schon vor den Beschlüssen Kritik laut. „Eine solche Maßnahme würde dazu beitragen, dass die Omikron-Welle sogar früher kommt“, sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, der dpa. „Wenn wir die Testpflicht jetzt lockern, sehe ich die Gefahr, dass Omikron gerade geboosterte Personen infiziert, die sich aber nie testen lassen müssen, und die dann das Virus munter verbreiten.“
Lauterbach sagte mit Blick auf einen Eintrag der Omikron-Variante durch Reisende aus Virusvariantengebieten, er könnte einer Regelung nähertreten, „die eine PCR-Testung nach Einreise obligatorisch vorsieht“. Es könne sein, dass der eine oder andere PCR-Test von vor der Abreise seine Gültigkeit verloren habe.
Unterdessen ist die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz auf 375 gemeldete Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen gesunken. Es gab 30 823 registrierte neue Fälle sowie 473 Todesfälle binnen 24 Stunden. Knapp 700 000 Menschen wurden am Montag gegen das Coronavirus geimpft - ganz überwiegend waren das Auffrischimpfungen. Den vollständigen Impfschutz mit der meist nötigen zweiten Spritze haben laut Robert Koch-Institut (RKI) nun mindestens 57,9 Millionen Menschen oder 69,7 Prozent der Bevölkerung. 20,5 Millionen (24,7 Prozent) sind den Angaben zufolge geboostert.