Tanzhaus NRW Teamwork ist für neue Intendantin Ingrida Gerbutaviciute das A und O
Ingrida Gerbutaviciute, die neue Intendantin im Tanzhaus NRW, stellte das Programm ihrer ersten Spielzeit vor. Am kommenden Sonntag gibt es die Gelegenheit, künftige Angebote sowie Dozenten und Dozentinnen kennenzulernen.
(mey) Körperkontakt mit anderen, mit Fremden – das hat man sich in der Pandemie fast abgewöhnt. Deshalb kommt die Einladung auch etwas überraschend: „May I hug you?“ – Darf ich Sie/Dich umarmen? So lautet das Motto der ersten Spielzeit der neuen Leiterin des Tanzhaus NRW, Ingrida Gerbutaviciute, die sie nun vorstellte. Dabei wurde schnell klar: Das Team soll künftig im Vordergrund stehen. In der Vergangenheit hatte es gerade in diesem Bereich am Tanzhaus gehakt. Nun sollen Bühne und Akademie enger verzahnt werden. Gerbutaviciute: „Bei den Dramaturgiesitzungen soll immer jemand von der Akademie dabei sein. Ich möchte nichts alleine entscheiden, sondern nur im Team.“ Und so stellte auch das Team gemeinsam das neue Programm der Spielzeit 2022/23 vor. Wie das Motto schon verrät, geht es um Körperlichkeit in drei thematischen Linien: intime, gemeinschaftliche und expansive Körperlichkeit. Eingeladen sind internationale Compagnien, sich mit den verschiedenen Themenfeldern auseinanderzusetzen.
Bei ersterem spielen Paare eine Rolle, oder das Pas de Deux, wie man es in der Tanzsprache sagt. Hierzu werden zwei Compagnien arbeiten: Anna Maria Adomaityte sowie das Temporary Collective aus Tschechien. Bei zweitem Thema dreht sich eine Arbeit um menschliche Gemeinschaften, „die fragil sind, aber auch ein bedrohliches Potenzial besitzen können“, sagt Dramaturgin Lucie Ortmann. Mit dem Thema wird sich der Chorograf Christos Papadopoulos auseinandersetzen.
Bei der expansiven Körperlichkeit liegt der Fokus auf dem Nicht-Menschlichen, auf fiktionalen und digitalen Welten. Dazu wird André Uelba im Frühjahr 2023 ein neues Stück entwickeln. „Wir denken über die Fragilität des Körpers nach, erforschen die Wandlungsfähigkeit menschlicher Gemeinschaften und entwerfen Zukunftsbilder in Relation von Körper und Ökosystemen“, sagt die litauische Intendantin. Noch stehe das Bühnenprogramm nicht ganz fest. Es wird gerade (weiter) entwickelt.
Die regionale Tanzszene soll weiter gefördert werden
Die regionale Tanzszene soll weiter gefördert werden. Zwei Protagonisten aus Düsseldorf, die bei der Vorstellung des Programms auch anwesend waren, Ben J. Riepe und Fabien Prioville, werden neue Werke am Tanzhaus entwickeln, genauso wie Hartmut Müller und Takao Baba. „Wir wollen Räume schaffen, in denen sich auch der Nachwuchs präsentieren kann“, ergänzt Dramaturg Philipp Schau. Es gebe Koproduktionen und auch weiterhin die Residenzen für Künstler und Künstlerinnen. Eine ehemalige Residenzlerin, Katharina Sensenberger, wird im November eine Arbeit am Haus zeigen. Auch das Junge Tanzhaus soll weiter entwickelt werden. Hierzu gibt es mehr Formate, mit denen man in Schulen gehen will.
Das Akademie-Programm steht bereits fest und lädt alle Menschen ein, mitzutanzen. Am Sonntag, 14. August, geht es los: In den Open Studios kann jeder mitmachen, kostenlos Programme ausprobieren und mit Dozenten in Kontakt treten. Gerbutaviciute: „Die Menschen kommen aus dem Urlaub und wollen sich bewegen.“ Im Akademie-Bereich gibt es „die gewohnte Vielfalt an Angeboten und Dozenten“, sagt die dafür zuständige Dörte Kordzumdieke. Barrieren sollen nicht nur, was das Bühnenprogramm betrifft, abgebaut werden im Sinne der Inklusion, sondern auch bei den Workshops. Tanz für Menschen mit Demenz ist ein neuer Bereich, der erschlossen werden soll. Vorbilder gibt es in England und Schottland. Kordzumdieke: „Tanz befördert das Wohlbefinden, bei Betroffenen und Angehörigen.“ Ausgebaut wird auch im Akademie-Bereich die Nachwuchsförderung, etwa mit Kursen speziell für Zwei- bis Fünfjährige. „Da gibt es eine große Nachfrage“, erläutert Dörte Kordzumdieke. Die Kleinen können HipHop dann auf spielerische Weise kennenlernen.
Die erste Umarmung künstlerischer Art möchte die neue Intendantin dem Publikum am Wochenende 16. bis 18. September zuteil werden lassen. Ousmane Sy & Paradox-Sal wollen eine „vibrierende Performance“ bieten. Das litauisch-lettische Duo levaKrish präsentiert eine immersive Klanglandschaft, die durch sich geometrische bewegende Tänzer getragen und gespielt wird.
Cie des Marmots & Collectif Ouinch Ouinch heizen dem Publikum mit Krump-Moves, rhythmischen Schritten und DJ-Live-Musik am Samstag Abend ein – beste Voraussetzung für die anschließende Party mit Publikum. „Vastadus eana/the answer is land“ nennt sich die Performance der Choreografin Elle Sofe Sara, die folkloristischen Tanz aus Norwegen mit gutturalem Yoik-Gesang verbindet. „Der Yoik-Gesang ist für mich Teil meines Lebens“, sagt die Multi-Genre-Künstlerin, die live zugeschaltet war. Sie setzt sich mit der Verbindung von Mensch und Natur auseinander. Der Fokus liegt auf große Themen.