Ausstellung von Vom Porsche bis zum Polo – bei „Eraser“ hängen Autos an der Wand
Düsseldorf · Die in Berlin lebende, aus Wales stammende Künstlerin Angharad Williams hat den Ausstellungsraum des Düsseldorfer Kunstvereins mit wandhohen Kohlezeichnungen von Autos ausgestattet. Sie spielt damit auf Vereinzelung und Klassentrennung in unserer Gesellschaft an.
Die Ausstellung heißt „Eraser“, zu Deutsch Radiergummi. Doch wer sie betritt, erblickt ringsum nur Autos. Sie hängen mehrere Meter hoch als Kohlezeichnungen an den Wänden und warten darauf, dass man sie deutet; dass man sie zum Beispiel in Beziehung setzt zu den vier verstreut auf dem Boden liegenden Absatzcontainerdeckeln, einem Phänomen, das man zwar aus dem Alltag kennen mag, dessen Bezeichnung aber noch fremder klingt als „Eraser“. Einen Preis müssten diejenigen bekommen, die unvorbereitet erklären können, was die Autos mit den Absatzcontainerdeckeln gemein haben.
Zum Glück weiß Angharad Williams (Jahrgang 1984), eine in Berlin lebende Künstlerin aus Wales, diese Fragen und noch viele mehr zu beantworten. Schließlich hat sie sich die Installation ausgedacht und die Autos mit ihren und weiteren Händen an die Wand gebracht.
Sie sind nicht nur, aber auch eine handwerkliche Glanzleistung. Denn Williams ist es mit ihren Helfern gelungen, mittels Kohlestiften den einen Autos Spiegeleffekte zu verleihen, die anderen aber stumpf, rostig und alt aussehen zu lassen. Die Zeichnungen gehen auf Fotos zurück, welche die Künstlerin in verschiedenen Berliner Bezirken aufgenommen hat und die zu einer, wie sie sagt, „präzisen Bestandsaufnahme von Autobesitz in der Hauptstadt“ führten.
Das Ensemble mit dem schlichten Titel „Cars“ reicht vom Porsche bis zum Polo, vom Mini bis zum Smart, vom Lamborghini Urus bis zum Land Rover Defender. Autos verkörpern nach Aussage der Künstlerin „Vereinzelung und Klassentrennung weit über die Pandemie hinaus“.
Der Ausdruck des Abgeschottetseins ist es denn auch, was die Bestandteile der Ausstellung vereint. Menschen fahren allein in ihren Karossen oder in ihren Rostlauben, und selbst die Containerdeckel zeugen von Abgrenzung, denn im Alltagsbetrieb wird der Müll kurioserweise vor unbefugten Händen abgesperrt. Zudem schließen sich die Türen des Kunstvereins zurzeit automatisch, sobald jemand hindurchgegangen ist.
Im Nebenraum tut sich dagegen zaghaft eine Vision auf. In der Videoarbeit „Enver‘s World“ porträtiert Angharad Williams einen Freund, der in einem Park eingeschlafen ist, und fängt den Moment des Erwachens ein, in dem die Grenze zwischen Innen- und Außenwelt porös wird. Eine weitere Vision zeichnet sich vor der Kunsthalle in einem Digitaldruck an der Fensterfront zum Grabbeplatz ab. Zu sehen ist dort eine traumartige Szene von Konsumgütern, die sich in Farbfelder auflösen – die Vorstellung einer radikalen Neuformation von sozialen Ordnungen. Altes wird ausradiert, Neues macht sich breit.
„Eraser“ beendet eine zweijährige Arbeit am gleichnamigen Prosatext, der im Herbst erscheinen wird und in Teilen das Konzept der Ausstellung vorstellt. Dazu zählt die Erläuterung, dass die Künstlerin ihre Auto-Installation als Ausdruck „eines drohenden systemischen Zusammenbruchs und (geo-)politischer Debatten um fossile Brennstoffe und erneuerbare Energien“ verstanden wissen will.
„Eraser“ ist ihre erste Einzelausstellung in einem deutschen Kunstinstitut. Man sieht: Denk- und Handarbeit sind bei Williams gleich stark ausgeprägt. Eine gute Voraussetzung für gute Kunst.