Wie fühlen Sie sich nach den ersten drei Wochen?
Dörte Kordzumdieke, Leiterin der Tanzhaus-Akademie "Ich will Menschen zum Tanz bringen"
Die Leiterin der Tanzhaus-Akademie sieht es als gesellschaftlichen Auftrag an, Tanzen einer breiten Öffentlichkeit zu ermöglichen.
Dörte Kordzumdieke: Ich bin ja schon länger da, seit dem 1. Juni zur Einarbeitung, und habe zum 1. August die Leitung übernommen. Das Haus hat eine schöne Willkommenskultur, es war sehr angenehm, als neue Angestellte hier anzukommen. Natürlich steht im Moment viel unter dem Zeichen Corona, insofern freuen wir uns sehr, dass die Kurse wieder laufen
können.
Sie bezeichnen sich als
Angestellte, sind aber Leiterin der Akademie. Ist das ein
Aufstieg für Sie?
Kordzumdieke: Klar! Das ist eine ganz andere Position, als ich sie am Mainfrankentheater in Würzburg hatte. Es ist aber auch ein ganz anderes Haus. In Würzburg war ich an einem klassischen Stadttheater, wo ich als Dramaturgin und Ballettmanagerin gearbeitet habe, mit einer Company, mit einem täglichen Programm für die Bürger der Stadt – das kann man nicht wirklich vergleichen. Ich wollte aber bewusst wieder in den pädagogischen Bereich. Dass das geklappt hat, ist super.
Was unterscheidet Ihre
Arbeit konkret von der am Theater?
Kordzumdieke: Die Akademie des Tanzhauses ist etwas ganz Besonderes. Es ist, glaube ich, auch einzigartig in Deutschland, dass ein Haus so eine große Abteilung hat, die allen offensteht. In den vergangenen Jahren haben viele Theater begonnen, Vermittlungsangebote zu etablieren, ihre Häuser zu öffnen. Das Tanzhaus NRW tat das aber von Beginn an: Das ist ein Alleinstellungsmerkmal.
Was reizt Sie an Ihrem neuen Job?
Kordzumdieke: Dazu muss man sagen, dass ich vor Würzburg die Berufsfachschule für Bühnentanz in Nürnberg geleitet habe, das war eine sehr pädagogische Aufgabe, mit vielen Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen. Insofern hatte ich schon Einblick ins Feld und festgestellt, wie wichtig es für mich ist, möglichst viele Leute für Tanz zu begeistern – auch Menschen, die noch nicht viele Berührungspunkte mit Tanz und der Kunst hatten. Das habe ich in Nürnberg und Würzburg versucht, und das Programm hier in Düsseldorf spricht ja auch ganz viele Leute in der Stadt an.
Woran machen Sie das fest?
Kordzumdieke: Wann immer man sagt, man arbeitet am Tanzhaus – jeder Düsseldorfer kennt das! Das war wirklich toll, zu erfahren, dass es so einen Namen in der Stadt hat.
Seit wann wohnen Sie in Düsseldorf?
Kordzumdieke: Seit dem
1. Juni. Ich hatte unglaubliches Glück: Ich habe eine Wohnung hier an der Erkrather Straße gefunden. Und das in Corona-Zeiten!
Wie gut kennen Sie
Düsseldorf? War der Umzug ein Kulturschock?
Kordzumdieke: Düsseldorf habe ich zum ersten Mal im Rahmen der Tanzmesse besucht, und bereits da fiel mir auf, dass die Menschen hier sehr offen sind. Als gebürtige Fränkin finde ich das angenehm. Ich glaube, die Leute in Süddeutschland sind zurückhaltender.
Sie waren auch mehrmals in China. Hat Sie das geprägt?
Kordzumdieke: Ja. Ich war zum Ende meines Studiums in Peking, für einen Forschungsaufenthalt an der Beijing Dance Academy. Ich fand es super spannend dort. Viele sprechen kein Englisch, ich habe mit Chinesen in einer WG gewohnt — sich schnell einzuleben, das habe ich von damals mitgenommen. Ich lerne auch Chinesisch und habe mich für einen Kurs angemeldet.
Wollen Sie die chinesische Kultur auch in die Akademie bringen?
Kordzumdieke: Das Angebot ist ja bereits sehr international: Wir bieten orientalische, brasilianische Tänze, Afropop, afrikanischen Tanz und dazu Veranstaltungen wie das Flamenco-Festival. Aus dem asiatischen Raum haben wir Butoh im Programm. Zudem kommen unsere Dozenten aus verschiedenen Ländern. Ich glaube, das ist etwas, was Tanz kann: Einen Einblick in die Kultur geben, ohne dass es wahnsinnig trocken oder wissenschaftlich wird. Chinesischer Tanz steht allerdings noch nicht auf unserer Liste.
Beißen sich das Körperliche des Tanzes und die auf
Abstand getrimmte Zeit?
Kordzumdieke: Jein. Natürlich lebt Tanz auch vom Miteinander. Aber wir haben gelernt, einen Umgang mit der aktuellen Situation zu finden. Im Tanz gibt es verschiedene Möglichkeiten, in Kontakt zu sein und sich körperlich aufeinander zu beziehen, ohne sich direkt berühren zu müssen. Auch in den Kinderkursen gehen wir damit kreativ um. Außerdem glaube ich, dass Tanz auch – und besonders – unter Corona-Bedingungen eine Möglichkeit bietet, den Alltag zu vergessen.
Wie sind Sie zum Tanz
gekommen?
Kordzumdieke: Ganz klassisch als Kind, das gerne Ballett tanzen wollte. Ich habe mit vier Jahren angefangen und immer weitergemacht, bis die Entscheidung anstand: Was möchte ich mit Tanz machen? Da war klar, dass ich nicht auf der Bühne stehen möchte, sondern dass mich das Pädagogische interessiert. Das Organisieren von Tanz bringt mir Freude.
Warum wollen Sie nicht auf die Bühne?
Kordzumdieke: Ich glaube, dafür braucht man diesen Drang, gesehen zu werden. Das ist ganz zentral bei Bühnenkünstlern. Für mich steht eher das Gemeinschaftsgefühl im Fokus, das interessiert mich mehr. Ich bewundere es aber total, wenn Leute dieses Bühnenbedürfnis haben. Wenn Hobbytänzer hierherkommen und ein- bis zweimal im Jahr auftreten dürfen, bedeutet ihnen das sehr viel. Für mich ist das Schönste, wenn ich anderen Menschen diesen Moment ermöglichen kann.
Was möchten Sie aus der Akademie machen?
Kordzumdieke: Ich stehe hinter der Idee, dass Tanz für alle da ist. Es gibt viele Bereiche, in denen Menschen vom Tanz ausgeschlossen scheinen, und die möchte ich ins Haus holen. Das ist auch ein gesellschaftlicher Auftrag. Es gibt einen Kurs für Menschen mit Parkinson, in dem speziell ausgebildete Pädagogen mit diesen Menschen tanzen und damit helfen, mobiler zu sein. Auch unser Ballettunterricht für Menschen ab 50 Jahren ist sehr beliebt. Außerdem möchte ich die Bühne und die Akademie enger verknüpfen, sodass mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Bühnenprogramme erleben und mehr Zuschauer Lust bekommen, selbst in unseren Studios zu tanzen.