Düsseldorf Stadtbibliothek feiert Weltübersetzertag „Bald feiern wir Goldene Hochzeit“
Düsseldorf · Seit fast 50 Jahren arbeiten Autor Uwe Timm und Übersetzer Gerrit Bussink zusammen. Zum Weltübersetzertag sprachen beide über den gemeinsamen Schaffensprozess.
„Die Entdeckung der Currywurst“, „Am Beispiel meines Bruders“ und „Rennschwein Rudi Rüssel“ – etliche Bücher von Uwe Timm sind Lesern generationenübergreifend ein Begriff. Der Autor gilt als einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller und Vertreter der 68er-Bewegung. Sein Werk wurde international in zahlreiche Sprachen übersetzt. Wie viele, das weiß er gar nicht genau. „Es müssen wohl um die 30 sein“, sagt er.
Was er sehr gut weiß, sind die Namen aller Übersetzer, die seine Romane für Leser weltweit zugänglich machen. Namen, die nur den literarisch Interessierten bekannt sein dürften. Dabei arbeitet Gerrit Bussink, der „Mann für das Niederländische“, bereits seit fast fünf Jahrzehnten mit Timm zusammen. „Bald feiern wir Goldene Hochzeit“, merkt der Autor an. Der Vergleich mit einer Ehe – einer glücklichen, da sind sich beide einig – fällt nicht zum letzten Mal an diesem Abend in der Düsseldorfer Zentralbibliothek.
Bussinks fertigt seine erste Übersetzung Anfang der 70er-Jahre an. Damals noch Germanistik-Student, lernt er auf einer Feier einen Verlagslektor kennen. Zwischen dem einen oder anderen Drink erzählt dieser: „Ich habe die Rechte an einem Buch gekauft, kannst gerne die Probeübersetzung machen.“ Das Buch war Peter Handkes „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ und Bussink plötzlich Literaturübersetzer.
Wie der Niederländer wenige Jahre später Uwe Timm kennenlernte, wissen beide schon kaum noch. Zu selbstverständlich ist ihre Zusammenarbeit, ihre Freundschaft. „Es muss damals auf einer Buchmesse gewesen sein“, überlegt Timm. Seit der Übersetzung des 1974 erschienenen Romans „Heißer Sommer“ währt die berufliche Beziehung. „Es ist etwas Ungewöhnliches, dass man so lange zusammenarbeitet“, sagt Timm: „Gerrit ist so ein wichtiger, guter, bedeutender Übersetzer, dass er sich die Autoren auch aussuchen kann.“
Rund 200 Titel von knapp 30 Autoren hat Bussink nach eigener Aussage schon ins Niederländische übersetzt. Die Wertschätzung für die Kunst des Übersetzens sei dabei nicht immer selbstverständlich gewesen. Seit 15 bis 20 Jahren würden Übersetzer überhaupt erst namentlich an präsenter Stelle genannt. Eine Kunst, die oft übersehen wird. Wer denkt, sie sei durch Maschinen, Translationsprogramme ersetzbar, irrt. Das Handwerkliche sei dabei ebenso wichtig wie das Stilistische, sagt Bussink: „Man muss den Autor verstehen, aber auch den Leser.“ In deutschen Büchern liefen Sätze zum Teil über fünf Zeilen: „Kein niederländischer Leser würde einen so langen Satz akzeptieren.“
Der ganze Übersetzungsprozess erstreckt sich bei ihm über mehrere Runden, in denen sich Bussink isoliert. Eine erste Leserunde, mit spontanen Gedanken. Eine zweite, detaillierte, bevor er sich mit einem Kollegen austauscht: „Das kommt der Qualität zugute.“ Eine dritte, dann der Kontakt zum Verlag. Insgesamt fünf Runden durchläuft jedes Werk vor Bussinks aufmerksamen Augen, bevor er zufrieden ist. In jedem Originaltext stecke ein Rhythmus drin, den müsse man „irgendwie erwischen“. Wichtig auch: „Man muss die Texte sprechen können.“ Unerlässlich, wenn die Hörspiele vertont werden. Zu umgangssprachlich dürfe es aber auch nicht werden.
Beide Männer – Autor wie Übersetzer – legen besonderen Wert auf den Anfang des fertigen Buches. „Da muss ein Klang sein am Anfang, der uns einfängt“, sagt Uwe Timm: „Nicht nur semantisch – da muss auch eine Sinnlichkeit sein.“
Doch auch das Ende eines Buches hat die beiden schon vor Herausforderungen gestellt und an sprachliche Grenzen gebracht. In Timms Roman „Kopfjäger“ baute dieser auf der letzten Seite ein Kreuzworträtsel ein. Die Endbuchstaben der fünf Wörter sollten das Wort „Circe“ ergeben. Die Kunst: jedes Wort für sich angemessen zu übersetzen und gleichzeitig das Lösungswort beizubehalten. Nur einer der Gründe, warum Bussink am liebsten lebende Autoren übersetzt: „Mit denen kann ich kommunizieren.“
Intuition und ein Verständnis für den Stil des Literaturschaffenden sind aber in jedem Fall unerlässlich. Übersetzungen für Timm gehen Bussink mittlerweile schneller über die Tasten, er versteht, wie er seinen Worten gerecht wird. „Die ersten Ideen sind oft die besten, sagt man ja“, so Bussink. Beim ersten Lesen hat er daher immer bereits einen Bleistift zur Hand. So auch bei der allerersten Übersetzung zu „Heißer Sommer“. Seine spontanen Gedanken kritzelte er dabei zwischen die Zeilen. Schön sehe das aus, witzelt Bussink: „Das habe ich Uwe geschenkt.“ Der entgegnet: „Das kommt irgendwann ins Archiv.“