Düsseldorfer seit 75 Jahren verheiratet Rita und Walter Wedlich feierten Kronjuwelenhochzeit
Düsseldorf · Den Hochzeitstag kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges mussten sie im Bunker verbringen.
Silberne Hochzeit, Goldene Hochzeit, Diamanthochzeit, Eiserne und Gnadenhochzeit. All diese Jubiläen durften Rita und Walter Wedlich bereits gemeinsam feiern. Und jetzt, am 2. Mai, legten sie nach: Die 94-Jährige und der 101-Jährige sind stolze 75 Jahre verheiratet — und so stand für die beiden das seltene Fest der Kronjuwelenhochzeit an. Gefeiert wurde im Rahmen, wie es eben zu Corona-Zeiten möglich ist: Die Nachbarn standen vor dem Balkon der Erdgeschosswohnung in Unterbilk, brachten dem Ehepaar ein Ständchen und ganz viele Blumensträuße.
1942 lernten sich die Wedlichs vor einem Tanzlokal in Kiel kennen. Sie war damals 16 Jahre jung, die beiden freundeten sich an, trafen sich fortan öfter und heirateten 1945, an einem der letzten Kriegstage eben. Rita Wedlich erinnert sich genau: Der eigentliche Standesbeamte war schon geflohen, sein Stellvertreter erklärte sie zu Mann und Frau. „Danach mussten wir sofort in den Bunker zurück, standen dort herum“, schildert sie. Genau an ihrem Hochzeitstag haben sie vom Tod Hitlers erfahren und sich gefreut, weil der Krieg dann wohl bald vorbei sein würde. In Kiel, das durch viele Luftangriffe stark zerstört wurde, war dies am 4. Mai der Fall. „Wir konnten endlich wieder ausschlafen“, sagt die Seniorin.
Sie freut sich, wenn sie erzählen kann, bezeichnet sich selbst als „Schnabbelliese“, aber es macht Freude, ihr zuzuhören. Dass sie im Norden geboren ist, hört man ihr noch deutlich an, obwohl das Paar seit 1956 in Düsseldorf lebt. Denn dort fand Walter Wedlich 1953 eine Stelle bei der Post am Graf-Adolf-Platz. Der gelernte Uhrmacher, der im Krieg sein gesamtes Werkzeug verloren hatte, lebte erst einmal alleine hier. Die Post zahlte Trennungsgeld an das Paar. Tochter Brigitte war inzwischen geboren. Dann ließ die Post an der Gladbacher Straße rund 100 Wohnungen für ihre Angestellten bauen, und Rita konnte mit dem Kind ebenfalls nach Düsseldorf ziehen.
Seit 1956 leben sie in derselben Wohnung. Haben Nachbarn aufwachsen und wegziehen sehen, andere im Altenheim besucht. Dass die beiden auf unzähligen Beerdigungen waren, erzählen sie, das sei normal, wenn man so alt werde. Sehr schwierig war allerdings für sie der Tod der eigenen Tochter vor zwei Jahren, die im Alter von 71 Jahren starb. Walter Wedlich zeigt auf das hübsche große Porträtfoto, das auf der Wohnzimmerkommode steht. Er schaut es liebevoll an. Und erzählt, dass das Foto daneben seine Enkelin Daphne zeige. Die aber wohne in Berlin, man telefoniere ab und an.
Das alte Telefon aus Elfenbein mit großer Wählscheibe und schwerem Hörer ist den Wedlichs wichtig. Hier halten sie Kontakt zu Freunden, die inzwischen alle jünger sind. Das Alter mache sich eben bemerkbar: „Ich habe schwere Arthrose“, sagt die 94-Jährige. Deshalb verlässt sie das Haus nur im Rollstuhl, wird zwei Mal in der Woche zum Rhein gefahren und staunt immer noch über die Entwicklung im Hafen. „Kein Mensch wollte hier damals wohnen“, erzählt sie und lacht, weil das Viertel heute so begehrt ist. Ehemann Walter geht noch mit dem Rollator vor die Türe, zur Apotheke oder zum Zeitschriftenladen. Dann bringt er seiner Frau immer Zeitungen mit, damit sie ihrer Leidenschaft nachgehen kann: „Ich liebe Sudoko-Rätsel, mag es aber nicht, wenn in derselben Zeitschrift bereits die Auflösung steht“, bekennt sie.
Trotz der körperlichen Einschränkungen lebt das Ehepaar ziemlich autark: Es gibt eine Hilfe, die putzt, und liebe Nachbarn, die schwere Sachen einkaufen. Doch die Seniorin kocht fast täglich noch selbst, ihr Mann hilft beim Abwasch und trocknet ab. Den Tag beginnen die beiden mit der Lektüre der Zeitung, die dann im Treppenhaus an die Nachbarn weitergegeben wird. Überhaupt erwähnt Rita Wedlich immer wieder die Nachbarn, mit denen sie so gerne erzählt. Eine Frau komme jeden Sonntag für eine Stunde vorbei. „Ich sehne mich danach, Besuch zu bekommen“, bekennt die 94-Jährige.
Das Paar lebte immer bescheiden. „Wir haben nie ein Auto besessen, haben früher viele Pakete an die Verwandten in der damaligen DDR geschickt“, erinnert sie sich. In ihren vier Wänden habe sie auch sechs Jahre lang die Schwiegermutter gepflegt. Noch heute sind die Wedlichs sehr gastfreundlich. Kaum nimmt man bei ihnen Platz, bekommt man Schokolade angeboten. Sie strahlen Genügsamkeit und Harmonie aus. Auch wenn ihre Ehe „nicht eine Grade“ gewesen sei. „Es gab auch Nebenwege, aber das ist vergessen“, sagt Rita Wedlich.
Als unser Gespräch zu Ende ist, öffnet sie noch schnell die Tür des Wohnzimmerschranks. „Hier geht keiner ohne Schokolade raus“, sagt sie und drückt uns jeweils eine Tafel in die Hand. Bei Rita Wedlich, die im Kopf so jung geblieben ist und soviel Lebensfreude ausstrahlt, kann man einfach nicht Nein sagen.