Abschiebungen Abschiebungen aus Düsseldorf: Ein Drittel sind Minderjährige
Als die gut integrierte 14-jährige Bivsi aus Duisburg abgeschoben wurde, war die Empörung groß. Der Fall machte Schlagzeilen - und ist kein Einzelfall in NRW.
Düsseldorf. An einem Montagmorgen im Mai wird in Duisburg eine 14-Jährige aus dem Unterricht geholt. Im Lehrerzimmer erfährt sie: Ihre Familie soll nach Nepal abgeschoben werden. Kurz darf sie sich von ihren engsten Freundinnen verabschieden. Am frühen Abend sitzt sie mit ihrer Familie schon im Flugzeug, das in ein Land fliegt, dessen Sprache sie nicht spricht und in dem sie noch nie in ihrem Leben war.
Die Abschiebung der 14-Jährigen Schülerin Bivsi hat im Frühjahr für Empörung gesorgt. Doch es zeigt sich: Dass Minderjährige abgeschoben werden, ist kein Einzelfall. Bis August gab es laut Stadt in diesem Jahr 73 Abschiebungen aus Düsseldorf. 24 der Betroffenen waren unter 18 Jahren.
„Minderjährige werden nie alleine abgeschoben“, sagt Angelika Weber, Sachgebietsleiterin der Düsseldorfer Ausländerbehörde. Sie würden von ihrer Familie oder von einem Betreuer begleitet. Grundsätzlich versuche man, eine Abschiebung so „schonend wie möglich“ zu gestalten — besonders, wenn Kinder und Jugendliche beteiligt seien.
Wie schonend, das behält Dalia Höhne im Auge — zumindest ab dem Zeitpunkt, wenn die Personen am Flughafen in Lohausen eintreffen. Seit fünf Jahren arbeitet sie als Abschiebebeobachterin und begleitet pro Woche mehrere Abschiebungen.
Dabei sucht sie auch das Gespräch mit den Betroffenen und hört immer wieder dramatische Geschichten. So erzählt sie von einem Fall, bei dem eine 16-Jährige mit ihrer Familie abgeschoben werden sollte. „Sie stand kurz vor ihrem Realschulabschluss“, sagt Höhne. Bei der Abholung durch die Behörde habe sie nicht einmal die Gelegenheit bekommen, ihre Zeugnisse mitzunehmen.
Auch für Oliver Ongaro und Michael Lukas von der Düsseldorfer Flüchtlingsinitiative „Stay“ ist so etwas schwer nachvollziehbar. „Warum wartet man in solchen Fällen nicht wenigstens, bis die Jugendlichen ihren Abschluss haben?“, fragt Ongaro. Vielleicht gebe ein Abschluss oder eine fertige Ausbildung ihnen auch in ihrem Herkunftsland zumindest etwas mehr Perspektive.
Ein ähnlicher Fall wie der von Bivsi war es, der damals zur Gründung von Stay geführt hatte. Die damals 15-jährige Semra Idic sollte mit ihren drei Geschwistern und ihren Eltern von Düsseldorf nach Serbien abgeschoben werden — dabei lebten sie zu diesem Zeitpunkt schon fast 20 Jahre in Deutschland.
Dass Kinder und Jugendliche, die hier geboren wurden, mit ihrem Familien abgeschoben werden, komme immer wieder vor, sagt Höhne. Bei Kleinkindern häufiger, bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen eher selten. Schwer zu begreifen sei es aber immer. Das bestätigt Ongaro: „Oft rufen Klassenlehrer oder Schulrektoren, wenn ein Kind aus ihrer Klasse mit der Familie abgeschoben werden soll, bei uns an und fragen, ob man da nicht etwas machen kann.“ Doch das sei meistens nicht so einfach.
Was bei Bivsi auch für viel Aufregung sorgte, war die Art der Abschiebung — sie wurde einfach aus dem Klassenzimmer gerissen. Das ist für ein junges Mädchen sicher ein traumatisches Erlebnis. „Kinder aus Schulen holen — das machen wir nicht“, sagt Weber. Doch trotzdem: Unangekündigt müsse die Abschiebung in jedem Fall sein — das schreibe das Gesetz vor.
Das kann problematisch sein: Gerade wenn es um Familien geht, beobachtet Dalia Höhne oft, dass die Kinder sichtlich mitgenommen sind, wenn sie am Flughafen ankommen. „Die Bundespolizei hier am Flughafen ist gut geschult, die wissen, wie sie mit den Menschen am besten umgehen sollen“, sagt Höhne. Wenn sie den Erzählungen glaubt, trifft das auf die, die die Personen zuhause abholen, nicht immer zu. „Es kam schon vor, dass eine Familie — einschließlich des 17-Jährigen Sohnes — gefesselt bis hierher gebracht wurden.“ Wenn Eltern oder andere Familienmitglieder bei der Abholung grob behandelt werden, bekämen die Kinder das oftmals mit.
Solche Geschichten spiegeln natürlich immer nur eine einseitige Sicht der Dinge. Dieses Problem sehen auch Ongaro und Lukas von Stay. „Wie die Abholung genau abläuft, bekommt meist niemand mit“, sagt Lukas — bis auf die Betroffenen. Selten lasse sich öffentlich machen, dass dabei nicht unbedingt glimpflich mit den Menschen umgegangen werde.