Fahrradkurier Abstrampeln ist ihr Traumjob

Julia Theuring fährt als Fahrradkurier durch die ganze Stadt. Sie liefert Dokumente, Medikamente und Blutproben.

Foto: Melanie Zanin

Düsseldorf. Julia Theuring liebt das Radfahren, die Sonne, die Luft, die Bewegung. Und sie mag es, neben ihrer Arbeit als Künstlerin auch mal in der Stadt herumzukommen, Hinterhöfe zu entdecken, in Galerien zu linsen. Der Zweitjob als Fahrradkurier: für sie ein Traumberuf. Wären da nicht fehlende Radwege, komplizierte Kreuzungen oder Autofahrer, die abbiegen ohne zu schauen — oder die schlicht aggressiv reagieren. „Es macht mir trotzdem großen Spaß. Man muss nur in Düsseldorf sehr, sehr konzentriert fahren.“

Die 37-Jährige arbeitet für Rot-runners und weiß, wovon sie spricht; sie war in Köln und Duisburg schon als Kurier unterwegs — Städte, die besser ausgebaut seien, beziehungsweise in denen die Autofahrer an die vielen Radfahrer gewöhnt seien. Düsseldorf habe Nachholbedarf. „Es müssten einfach mehr Menschen mit dem Rad unterwegs sein, dann würde sich vielleicht etwas ändern — müssen.“

In Düsseldorf hatte sie bereits mehrere Unfälle. „Einmal hat mich ein Sprinter beim Abbiegen übersehen. Ein anderes Mal habe ich eine Tür abbekommen, die ein Autofahrer unvermittelt geöffnet hat.“ Spätestens seit dieser schmerzhaften Erfahrung fährt Theuring nicht mehr ganz rechts, sondern mitten auf der Fahrspur. „Alles andere ist mir zu gefährlich.“

Gefährlich auch deswegen, weil es Autofahrer dazu verleite, sich sehr eng an ihr vorbeizudrängen. Gefährlich, weil sie so auch leichter übersehen werde. Und weil es für sie zudem umso schwieriger wird, vor einer Kreuzung quer über die Spuren und auch Schinen auf eine Linksabbiegerspur zu wechseln.

Theuring hat ihre Wege gefunden. Sie weiß mittlerweile, wie sie Knotenpunkte am schnellsten und sichersten überwindet, wann für wen welche Ampel grün oder rot zeigt, wann Straßenbahnen und Fußgänger stehenbleiben und sie losspurten kann. „Das muss man erst mal herausfinden. Radwege und Ampeln für Radler fehlen an vielen Stellen. Man muss sich oft entscheiden, ob man die vorgesehenen Wege für Fußgänger oder für Autofahrer nutzt — manchmal auch vom einen zum anderen wechseln.“

Zügig und selbstbewusst fährt sie im Verkehr mit, schlängelt sich nach gezielten Blicken rechts und links dorthin, wo sie weiterfahren muss, nutzt Lücken. „Am Anfang war das schon hart, aber mittlerweile kenne ich jede Ecke, meine Schleichwege, und kann mich ganz auf den Verkehr konzentrieren“, sagt sie. Wenn es mehr Stellen wie auf der Elisabethstraße oder der Friedrichstraße gäbe, mit breiten, gut markierten Radwegen, sei ihr und ihren Kollegen schon viel geholfen.

Sie wünscht sich aber vor allem mehr Verständnis und Rücksicht. „Wir können ja oft nur auf der Fahrbahn fahren. Einige Autofahrer nervt das aber so, dass sie uns beim Halten an einer Kreuzung ganz bewusst antitschen, beim Überholen scharf schneiden und ähnliches. Das ist sehr unangenehm.“ Theuring hofft zudem auf ein besseres Image für ihren Beruf. „Wir bringen ja nicht nur Dokumente von A nach B, sondern arbeiten auch für Krankenhäuser und Ärzte. Wir transportieren teils Blutproben, die dringend zur Untersuchung in ein Labor müssen, manchmal während ein Patient auf dem OP-Tisch liegt — das geht mit dem Rad meist am schnellsten.“

An solchen Aufträgen hat sie besondere Freude. „Die Arbeit macht Sinn, man hilft Menschen.“ Spaß hat sie auch, wenn es mal nicht so eilig ist, wenn sie mit dem Buchbinder kurz sprechen kann oder der einsamen älteren Dame, der sie Medikamente liefert. Oder wenn sie mal nicht die Hauptstraße nehmen muss, sondern am Rhein entlang nach Kaiserswerth fahren kann und Beruf und Hobby eins werden.