Awo plant das soziale Viertel
Von der Kita bis zur Demenz-WG, vom Jugendclub zum Altersheim: Die Awo plant ihre Quartiere umfassend — und am Bedarf vor Ort.
Früher hatte man ein Quartier im Sinne von Unterkunft - oder eben nicht. Heute lebt man in einem Quartier — jedenfalls, wenn man in einer Großstadt wohnt. Am Quartier als Synonym fürs Viertel kommt man in der Stadtentwicklung nicht mehr vorbei. Auch Sozialpolitik und -arbeit versteht sich heute vor allem als „Quartiersentwicklung“. Wenn Michael Kipshagen, der Geschäftsführer der Düsseldorfer Arbeiterwohlfahrt (Awo), das Prinzip in einem Satz erklären soll, dann sagt er: „Wenn wir in einem Stadtteil mit relativ vielen Arbeitern eine Einrichtung aufgemacht haben, hing das früher vor allem davon ab, ob es dort gerade passende Räume für uns gab. Heute gucken wir uns sehr genau an, was es in einem Quartier an sozialer Infrastruktur gibt, was erforderlich ist — und was fehlt.“
Quartier, Viertel oder Kiez: Es geht um Subeinheiten im Stadtteil. Und um deren spezifische Mängel und Probleme, aber auch Vorzüge und Potenziale. Beim Auftaktforum der Stadt im Frühjahr unter dem Titel „Zukunft Quartier. Düsseldorf“ hießen die Pole „Wunden“ und „Perlen“. „Natürlich hat es auch vor 30 Jahren in Düsseldorf zum Teil dieselben sozialen Probleme gegeben“, sagt Uta Lode, Projektmanagerin bei der Awo für die Quartiersentwicklung, „aber vieles hat sich — etwa durch den demografischen Wandel — verschärft: zum Beispiel die Vereinsamung im Alter.“ Ein Grundprinzip ist laut Bode das Bestreben, ein Quartier „demografiefest“ zu machen: „Das heißt, dass alle Bewohner so lange wie möglich dort wohnen bleiben können — und zwar nicht einsam und verlassen“.
Die Awo geht ihre diversen Projekte demzufolge „ortsscharf“ an. Einige Beispiele: Vennhausen: Los ging es 2013 in der Siedlung Freiheit mit der Erweiterung des Nachbarschaftstreffs an der Amselstraße. Fehlende Einkaufsmöglichkeiten und die Überalterung sind in dieser Siedlung die größten Probleme, deshalb geht man mit Unterstützung der Wohnungsgenossenschaft Wogedo vor allem seniorengerechte Wohnmodelle und Unterstützungsangebote an.
Lierenfeld: Hier wurde die Zielgruppe „ältere Migranten“ ausgemacht. Sie sind oft schwer erreichbar, kennen die Hilfsangebote und Anlaufstellen nicht, berichtet Uta Lode, wissen nicht, ob sie Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung haben oder nicht. Geplant wird nun an der Leuthenstraße ein Mehrgenerationenprojekt mit stationärer Kurzzeitpflege (80 Plätze), einer Tagespflege mit Quartiersbüro und fünf Seniorenwohnungen sowie einer weiteren Kita. Alles eng vernetzt mit dem Zentrum plus an der gleichen Straße und dem Hans-Jeratsch-Haus.
Gerresheim: Zum einen beteiligt sich die Awo beim „Netz gegen Armut“. Darüber hinaus bietet die „Awo Vita“ (Senioren- und Behindertenhilfe) im Neubauprojekt „Die Zeilen“ der Wogedo an der Gräulinger Straße nun zwei Wohngemeinschaften für Demenzkranke und zwölf Seniorenwohnungen an. Und an der Benderstraße beginnt Ende des Jahres der Umbau der Senioren-Wohnanlage mit 88 Wohnungen, damit dort neben dem ambulanten Pflegestützpunkt im Haus auch eine Tagespflege angeboten werden kann. „Dadurch können einige Bewohner länger in ihrer Häuslichkeit bleiben und müssen nicht in ein Heim“, sagt Jürgen Jansen, der Geschäftsführer der Awo-Vita. Wersten: Zwar hieß es damals noch „Gemeinwesenarbeit“, aber hier, im sozialen Brennpunkt Wersten-Süd-Ost, begann Anfang der 80er-Jahre die Quartiersarbeit — in einem alten Kiosk an der Immigrather Straße. Im Laufe der Zeit baute die Awo den „Aktiv- und Stadtteiltreff“ sukzessive aus, im Mittelpunkt stehen Angebote für Kinder und Jugendliche bis hin zur beliebten Jugendfarm mit Streichelzoo, aber auch die Schuldnerberatung.
Die Awo arbeitet regelmäßig mit der Hochschule Düsseldorf zusammen, um valide Daten über ein Quartier zu bekommen. Als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Quartiersentwicklung nennt Professor Reinhold Knopp, Stadtsoziologe an der Hochschule, die „eindeutige Bereitschaft zur Zusammenarbeit von Stadtpolitik, -verwaltung und Bewohnerschaft, die auch mit Ressourcen ausgestattet sein muss“. Dazu gehöre neben Geld auch die „Qualifizierung einer professionellen Unterstützung von Bürgerbeteiligung“.
Michael Kipshagen: Natürlich hat das Quartierskonzept auch mit Kosteneffizienz zu tun, da man nicht mehr die soziale Gießkanne ausschüttet, sondern passgenaue Hilfsangebote macht.“