Bahnhofsmission Düsseldorf feiert Jubiläumm So hilft die Bahnhofsmission

Düsseldorf · Seit 120 Jahren ist die Düsseldorfer Bahnhofsmission Anlaufstelle für Menschen in Not. Gegründet wurde der heutige Sozialdienst einst von Frauen, die junge Mädchen vor der Zwangsprostitution bewahren wollte. Mit einem ökumenischen Gottesdienst wurde der Geburtstag gefeiert.

Mitarbeiter Dominik im Gespräch mit einer ratsuchenden Frau am Düsseldorfer Hauptbahnhof.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Der Hauptbahnhof ist so etwas wie das Ein- und Ausgangstor einer modernen Großstadt. Allein in Düsseldorf nutzen ihn täglich eine Viertelmillion Reisende, um die Stadt per Schiene zu betreten oder zu verlassen. Für manche wiederum ist der Bahnhof das erste, was sie von der Stadt überhaupt zu sehen bekommen.

So ging es auch den Menschen, die im Zuge der Industrialisierung ohne genauen Plan, aber mit großer Hoffnung aus dem Umland nach Düsseldorf kamen, um hier ihr Glück zu finden. Darunter waren zur Wende des 20. Jahrhunderts besonders viele junge Frauen. „Für die war die Gefahr jedoch groß, auf die schiefe Bahn zu geraten.

Kriminelle warteten nur darauf, die Mädchen abzufangen und mit falschen Versprechungen in die Prostitution zu zwingen”, sagt Barbara Kempnich. Dagegen taten sich vor 120 Jahren erstmals christliche und jüdische Frauen aus den Gemeinden zusammen und errichteten einen Infostand im Wartesaal der dritten Klasse, um die jungen Frauen direkt an örtliche Hilfsstellen oder geschützte Frauenunterkünfte weiterzuleiten – die Düsseldorfer Bahnhofsmission war geboren.

Heute ist die ökumenische Hilfsorganisation aus dem Sozialgefüge des Hauptbahnhofs nicht mehr wegzudenken. „Wir bieten Hilfe für Menschen, die auf Reisen sind, wie auch für diejenigen, deren Lebensmittelpunkt hier ist”, sagt Kempnich, welche die Mission zusammen mit ihrem Kollegen Robert Modliborski leitet. Zwischen 60 bis 80 Menschen klopfen täglich an die Scheiben der Station zwischen Gleis 12 und 13. Manche auch nur, wenn sie aus Alters- oder Sprachgründen eine Hilfe beim Umstieg brauchen.

Auch die Armut der Seele
werde immer größer

Seit 2014 die Kinderlounge angebaut wurde, nutzen auch viele Familien die Missionsräumlichkeiten als Ruhepol während der Wartezeiten zum Stillen, Spielen und Wickeln. Immer wichtiger wird jedoch vor allem die Quartierssozialarbeit der 38 Ehrenamtler und 12 Teilzeitbeschäftigten. „Wir bekommen die sozialen Krisen hier hautnah mit”, sagt Kempnich. Als 2015 wie auch jetzt wieder viele Geflüchtete über den Hauptbahnhof in Düsseldorf ankamen, gehörten die Mitarbeiter der Mission meist zu den ersten Ansprechpartnern. Auch während der Lockdowns war sie eine der wenigen Hilfsstellen, die trotzdem durchgehend geöffnet blieb.

Viele Wohnungslose suchen sie täglich auf, wenn sie Unterstützung beim Ausfüllen von amtlichen Formularen brauchen oder auch nur, um sich im Winter bei einem Kaffee aufwärmen zu können. Gibt es Sprachbarrieren, kann ein Dolmetscher-Büro in Wien telefonisch zu Hilfe gezogen werden. „Dazu führen wir täglich mehrere umfangreiche Beratungen zu existenziellen Notlagen durch, etwa bei Geldschulden oder dem drohenden Wohnungsverlust.” Häufig bittet auch die Bundespolizei die geschulten Mitarbeiter, als Mediatoren bei Problemsituationen einzugreifen. Mittlerweile sind diese auch außerhalb des Bahnhofs unterwegs, denn auch der Worringer und der Mintropplatz sind Teil des Sozialraums.

Bei Quartiersspaziergängen geben sie Einblick in die Perspektiven der verschiedenen Gruppen, lassen dabei auch diejenigen zu Wort kommen, die sonst von den meisten Reisenden täglich eher ignoriert werden. „Der Bahnhof ist so etwas wie ein Spiegel der Gesellschaft, die sich immer mehr am Einkommen spaltet. Dabei wird nicht nur die materielle, sondern auch die Armut der Seele größer. Heute lebt die 3. Klasse vor dem Bahnhof”, sagt Diakonie-Vorsitzender Michael Schmidt.

Zwar ist die Bahnhofsmission grundsätzlich offen für jede Religionszugehörigkeit, doch der Glaube bleibt ein wichtiger Faktor für viele Mitarbeitende. Das hat Gründe: Denn die Konfrontation mit dem Elend und Leid vieler Menschen kann Spuren hinterlassen. „Mir hilft der Glaube dabei, Grenzen zu setzen und Abstand zu wahren”, sagt Kempnich. „Erst durch die Arbeit in der Mission habe ich gemerkt, wie existenziell ein Gottvertrauen für jemanden sein kann.”