Frau Knappe, der 70. Geburtstag. Wie fühlt sich das an?
Beate Knappe Knappe 70 sind kein Alter
Düsseldorf · Die Düsseldorfer Porträt-Fotografin setzt Gleichaltrige ins rechte Licht. Ohne Filter, ganz authentisch.
Noch bis vor kurzem war die Düsseldorfer Fotografin Beate Knappe knappe 70. Der runde Geburtstag war am 1. Juni. An dem Tag sollte die Ausstellung ihres Lebenswerks im Gerresheimer Kulturbahnhof eröffnet werden — dann kam Corona und hat es verhindert. Doch Aufgeben war nie und ist nicht Knappes Sache. Sie arbeitet weiter an ihrem Projekt und will, solange sie 70 ist, 70 Frauen in den 70-ern fotografieren. Es meldeten sich noch viel mehr nach ihrem Aufruf im Internet. Wir trafen die Fotografin in ihrem Studio in der Birkenstraße, das sie Ende des Monats räumen muss. Ein neues hat sie bisher noch nicht. Aber, wie gesagt: Sie gibt nicht auf.
Beate Knappe: Durch das Ausstellungsprojekt „knappe70“ hatte ich ja ein Jahr, um mich darauf vorzubereiten. Immer, wenn ich es erwähnte, schaute ich in erstaunte, ungläubige Gesichter. Auch ich komm damit nicht so recht klar. Ich sehe zwar die Zahl, meine Tochter hatte sie zu meinem Geburtstagskaffee als riesengroße aufgeblasene Ziffern aufgehängt, aber gewöhnt habe ich mich nicht daran, und, ehrlich gesagt, habe auch keinen Bezug dazu. 70? Das waren für mich immer die alten Frauen. Aber ich doch nicht.
Wie feiert man überhaupt solch einen runden Geburtstag und was feiert Frau: das Leben, gar das Überleben?
Knappe: An meinem Geburtstag, dem 1. Juni 2020, sollte ja meine Ausstellung „knappe70“ eröffnet und im Gerresheimer Bahnhof gefeiert werden. Dann kam Corona, und alles veränderte sich. Jetzt soll die Ausstellung im Herbst oder später stattfinden. Wir werden sehen. Geplant ist auch ein Bildband mit Fotografien aus über 50 Jahren. Ich bin dann an dem Tag ans Meer gefahren, ein wunderschöner Tag, die Sonne stand hoch am wolkenlosen Himmel und strahlte den ganzen Tag. Letzten Sonntag hatte meine Tochter zum Kaffeetrinken geladen, und ich habe es genossen mit meinen Enkeln zusammen zu sein. Familie eben.
Wie entstand die Idee? Einen Fundus gab es ja vielleicht noch aus dem Projekt „Silbergrau — das bin ich“, bei dem es um Frauen ging, die sich im Alter bewusst nicht die Haare färben (lassen).
Knappe: Die Idee war, wie das so oft bei mir gewesen ist, eine spontane — unter der Dusche. Ich habe sie dann im sozialen Netzwerk Facebook gepostet, war danach ein paar Tage nicht online und dann total überwältigt. Womit ich nicht gerechnet hatte waren die vielen Frauen, die unbedingt dabei sein, die sich zeigen und gesehen werden wollen. Manche bedauerten sogar, noch nicht 70 zu sein.
Das allein ist ja schon ein Erfolg. Und jetzt: Wie setzt man eine 70-Jährige ins rechte Licht?
Knappe: Ich arbeite ja nun seit fast zehn Jahren als Porträtfotografin, übrigens bewusst nur in schwarz-weiß, und habe meinen eigenen Stil entwickelt, meine eigene Lichtsetzung. Bei diesem Projekt gibt es zwar eine Visagistin am Set wie auch bei meinen anderen Projekten, aber es geht mir vor allem darum, dass sich die Frauen wohl fühlen und die Nachteile eines sehr scharfen Objektivs abgemildert werden. Es wird nichts retuschiert, keine Falten mit Photoshop entfernt, nein, diesmal nicht, denn genau darum geht es ja: die sichtbaren Zeichen des Älterwerdens zu zeigen. Eine Teilnehmerin, die zuvor schon mit Botox nachgeholfen hatte, wünschte sich einen faltenfreien Hals auf dem Foto. Das ist nicht das Konzept. Die Fotos sollen möglichst nahe an der Realität sein.
Keine Probleme beim Shooting?
Knappe: Das größte Problem für mich ist bei der Weiterverfolgung des Projekts, einen Raum zu finden, in dem ich fotografieren kann. Ich muss Ende Juni mein Studio in der Birkenstraße verlassen, da mein Mietvertrag nicht verlängert wurde. Aber vielleicht verändere ich auch das Konzept, gehe nach draußen. Wir werden sehen.
Gab es besondere Begegnungen?
Knappe: Die Begegnungen mit den Frauen waren bisher sehr spannend, denn ich mache ja kein Casting. Jede Frau, die sich meldet, kann Teil des Projektes werden. Frauen sind immer mein Hauptthema gewesen. Die Serie über die Frauen, die ihre Haare nicht mehr färben oder über die, die aufgrund einer Chemotherapie keine Haare mehr hatten, haben mich einiges gelehrt. Unter anderem, dass ich als Frau in dieser Gesellschaft scheinbar weder sichtbar altern noch sichtbar krank sein darf. Und nun fotografiere ich Frauen, die mindestens 70 Jahre alt sind, und bei denen das Alter sichtbar ist, so hoffe ich wenigstens. Bei den bisherigen Models war das noch nicht so eindeutig. Richtig alt sah für mich bisher fast keine Frau aus.
Und wie sehen Sie sich selbst als 70-Jährige?
Knappe: Ich lasse mich in der nächsten Woche auch fotografieren, von einer lieben Kollegin und bin gespannt, wie ich mich als 70-Jährige auf Fotos finden werde.
Warum sehen wir bei Ihnen keine 70 Jahe alten Männer?
Knappe: Seit der Corona-Pandemie nerven mich diese vielen belanglosen Fotografien, die ich sehe, wenn ich durch diverse Portale im Internet surfe. Bilder von Frauen in meinem Alter fehlen da ganz. Männer in dieser Altersgruppe kommen hingegen schon vor, in der Politik oder der Wissenshaft. Doch Frauen? Fehlanzeige. Das möchte ich gerne ändern.
Gibt es schon ein neues Projekt?
Knappe: Die Aktualität hat mich eingeholt. Momentan fülle ich meinen Instagram-Account mit Porträts von schwarzen Menschen.