Lesung Blechtrommel-Lesung endete, als es spannend wurde
Düsseldorf · Der Robert-Schumann-Saal war bei der Lesung mit Tatort-Kommissarin Ulrike Folkerts nur dünn besetzt.
Ein voller Saal – das ist ‚was anderes. Irritiert wird Ulrike Folkerts gewesen sein, als sie sah, dass der Robert Schumann-Saal am Allerheiligen-Freitag nicht ausverkauft, sondern eher dünn besetzt war. Zumal in der gleichen Reihe ‚Zweiklang’ der Auftritt von Hannelore Hoger am 10. November längst ausverkauft ist und vermutlich nur noch Hoffnung auf einen Wartelisten-Platz besteht. Zieht Hannelore Hoger mit Mozarts Frauen mehr als Ulrike Folkerts mit Grass’ „Blechtrommel“? Oder hat Kommissarin Bella Block mehr Fans als die nicht weniger berühmte Tatort-Kollegin, die forsche unbequeme Lena Odenthal? Sei’s drum. Odenthal, alias Folkerts, kam jedenfalls mit dem Percussionisten Stefan Weinzierl und hatte einen Vorleser-Kollegen namens Clemens von Ramin im Gepäck.
Brav, beinah regungslos verharren die beiden an ihrem Tisch (fast wie bei einer Signierstunde) und lesen – ähnlich wie im Tonstudio — Auszüge aus dem Nachkriegs-Roman, dem Günter Grass vermutlich den Nobelpreis zu verdanken hatte. Chronologisch geordnet – von der Geburt und Kindheit, von Nazi- und Kriegszeit bis zum Aufbruch des jungen Oskar Matzerath aus Danzig ins Rheinland. Genauer: nach Düsseldorf.
Schade nur, dass das Duo Folkerts/von Ramin exakt bei der Ankunft in Düsseldorf die Lesung beendet. Seltsam, ausgerechnet hier, denkt mancher. Die beiden haben eine Chance vertan, ihre ‚Blechtrommel’-Auszüge (seit Jahren tingeln sie mit dem Programm durch die Republik, Köln und Bonn inklusive) der Stadt anzupassen, in der Grass immerhin an der Kunstakademie studiert hatte. Wie er als Kneipenwirt arbeitete und das 50erJahre Altstadt-Milieu – auch das beschrieb er in seinem Roman. Das Publikum hätte vermutlich solche Szenen geschätzt und Folkerts/von Ramin gedankt.
Mitten auf der Bühne steht sie – eine Blechtrommel. Allein. Daneben im Halbdunkel: Weinzierl mit einem Arsenal von Schlagwerken: Xylo-, Vibra- und Marimbaphon, Groß-Pauke, Becken etc. Der Multi-Perkussionist versteht sich nicht als zurückhaltender Begleiter oder Illustrator, haut also nicht nur dann auf Pauken und Trommeln, wenn Folkerts den Jungen Matzerath lebendig vor Augen führt, der als Kind plötzlich aufhörte zu wachsen und mit Trommeln und grellen Spitzentönen Fenster zum Zerspringen bringt. Immer wieder beschert der Schlagzeuger eine originelle Geräusch-Kulisse mit Schaben, Klappern und Rattern. So in den leicht erotisch aufgeladenen Passagen, oder beim Trommeln von Nachtfaltern an Glühbirnen. Manchmal führt Weinzierls Sound das Geschehen unmittelbar und plastisch vor Ohren.
Die mitteltiefe, unverwechselbare Stimme der Ludwigshafener Tatort-Chefin verleiht den Roman-Figuren in weiten Strecken Konturen, Vitalität und Lebendigkeit. Denn auch 60 Jahre nach Erscheinen des Romans hat man die Personnage klar vor Augen – zumal durch die berühmt gewordene, mit ‚Oscar’ und ‚Goldener Palme’ gekrönte Verfilmung von Volker Schlöndorff. Das Kind und den Jungen Matzerath – alias David Bennent – bekommt man einfach nicht mehr aus dem Kopf, sobald Ulrike Folkerts die Stimme erhebt.
Clemens von Ramin
machte den Märchenonkel
Clemens von Ramin mit wohligem, aber monotonem Bariton hält sich meist zurück, gibt eher den abgeklärten, allwissenden Märchen-Opi denn einen temperamentvollen Vorleser, der mitreißen könnte. Gegen seinen betont sonoren, gediegenen Ton sticht Folkerts mit ihrem Reichtum an Stimmfarben hervor. Herzlicher, aber rasch abflauender Applaus.
Nächster „Zweiklang“-Termine im Schumann-Saal: 10. Nov. Hannelore Hoger und Pianist Sebastian Knauer, 17. Nov. Tobias Moretti (in memoriam Bruno Ganz). Tickets: www.kunstpalast.de