Burghart Klaußners neue Theaterheimat

Der viel gefragte Schauspieler ist in Düsseldorf angekommen. Er freut sich mit „Heisenberg“ über sein bislang erfolgreichstes Theaterstück und auf seine neue Rolle im Kaufmann von Venedig. Er hofft, dass ihm Intendant Wilfried Schulz bald mal eine Komödie gestattet.

Der Schauspieler Burghart Klaußner als Schauspieler auf der Bühne, hier als Shylock im „Kaufmann von Venedig“.

Foto: Thomas Rabsch

„Der 20. Februar war der einzige Tag, an dem ich nicht konnte, weil ich hier auf der Bühne stehe.“ Den Ärger über die „dilettantische Organisation“ der Berlinale kann Burghart Klaußner nicht verbergen. Ausgerechnet am Dienstagabend, als die Berliner Festspiele im Friedrichstadtpalast die Weltpremiere des neuen Films von Lars Kraume, „Das schweigende Klassenzimmer“, feierten (Kinostart: 1. März), spielte Klaußner den jüdischen Geldverleiher Shlyock in Shakespeares „Kaufmann von Venedig“ im Central am Hauptbahnhof. Es war die zweite Vorstellung. Die Berliner wussten vom Düsseldorfer Termin, der lange vorher feststand. Egal. Nach der „Kaufmann“-Premiere musste der beliebte Film-, Fernseh- und Bühnen-Schauspieler schnell für knapp zwei Tage nach Berlin reisen.

Foto: Thomas Rabsch

„Die Berlinale ist ein Branchentreffen. Alle sind da. Da muss man schon präsent sein. Und ich musste einige Leute treffen, um über kommende Projekte zu verhandeln“, sagt der 68-Jährige, der sich über einen Mangel an Verpflichtungen wahrlich nicht beklagen kann.

Im März spielt er nicht nur den Shakespeare in Düsseldorf, parallel beginnen die Proben zu Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“ im Wiener Burgtheater, eine Kooperation mit den Ruhrfestspielen. Die Premiere sei daher nicht in Wien, sondern am 3. Mai in Recklinghausen. „Es ist die Abschieds-premiere des Intendanten und meines Freunds Frank Hoffmann“, erklärt Klaußner.

Dennoch erscheint er entspannt zum WZ-Gespräch. Kommt gerade aus Berlin zurück. Einen Kaffee-Becher in der Hand erzählt er von den Dreharbeiten für „Das schweigende Klassenzimmer“, in dem es um Schüler in der ehemaligen DDR geht. Sie legten 1956, nach dem blutig niedergeschlagenen Aufstand der Ungarn gegen die Sowjetunion, Schweigeminuten in der Schule ein. Und brachten damit die DDR-Bürokratie gegen sich auf. Sogar der DDR-Bildungsminister Lange erscheint im Klassenzimmer, gespielt von Klaußner. „Eine böse Figur“, sagt er.

Es war wieder einmal eine historische Figur. Ein Faible habe er wohl dafür, sagt er schmunzelnd. Denn um lebendige Vergangenheit ging es auch in Klaußners bislang größtem Erfolg „Das weiße Band - ein deutsche Kindergeschichte“ (2009 mit Oscar-Nominierung in Hollywood) wie auch in „Der Staat gegen Fritz Bauer“ (2016). Darin spielte Klaußner, ebenfalls in der Regie von Lars Kraume, den unbequemen und hartnäckigen Generalstaatsanwalt Bauer, der in der Nachkriegszeit den Naziverbrecher Adolf Eichmann jagte, zu dessen Verhaftung beitrug und die Auschwitz-Prozesse in Gang brachte.

Aber in puncto Theater hat er Düsseldorf eine neue Heimat gefunden. Dank seines alten Freundes Wilfried Schulz, den er noch aus Hamburger Zeiten, wo der Berliner Klaußner seine Wahlheimat gefunden hat, kennt. Das Stück „Heisenberg“ sei seit einem Jahr immer ausverkauft, berichtet er stolz. Klaußner spielt darin neben Caroline Peters einen älteren Kauz, der sich in eine junge Frau verliebt, die einsam umherschwirrt wie er. „Das ist eine meiner erfolgreichsten Theaterproduktionen“, sagt er.

Auch deswegen fühlt er sich wohl am Rhein. Und würde gerne hier mal eine Komödie spielen. Er lächelt: „Wenn Intendant Schulz damit einverstanden ist.“

Und der Shylock im „Kaufmann von Venedig“? Eine Figur, sagt er, vor der man erschrecke. „Aber ich wollte schon seit der Schauspielschule den Shylock spielen.“ In Zeiten anwachsenden Antisemitismus sei es wichtig, diesen Juden zu zeigen, der gnadenlos blutige Rache verüben will. „Wenn nach dem Holocaust eine Gruppe das Recht auf Rache hat, dann sind es die Juden“, meint er. „Aber selbst für sie ist Rache kein taugliches Mittel“. So die Bilanz des Shakespeare-Stoffes aus dem Munde eines politisch und historisch interessierten Mimen.

Er habe sein ganzes Leben gelesen, auch darüber. Doch vor zwei Jahren kam der Wendepunkt. Klaußner entschied: „Genug gelesen, jetzt wird geschrieben.“ Und zwar einen Schelmenroman über die letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs. Ermutigt durch eine Verlegerin griff er zur Feder und habe zwei Jahre lang daran gearbeitet. Im Sommer erscheint es im Kölner Kiepenheuer-Verlag. Der Titel stehe noch nicht fest, aber es geht um zwei Figuren, Fritz und Schultz, die ab dem 23. April 1945 durch die Trümmerwüste in Berlin umherstreunen. „Sie sind eine Art Pat und Patachon, die sich durch das Chaos durchwurschteln.“

Trotz des ernsten Hintergrunds sei daraus eine heitere Geschichte geworden. Als Vorbild stand wohl das in Frankreich beliebte Genre der ‚drôles de guerre’ (heiterkomische Kriegsgeschichten). Klar, dass er das Buch auch in Düsseldorf vorstellen wird. Darauf freut er sich schon.

Damit nicht genug. Der große Mime hat Blut geleckt, sitzt schon am zweiten Buch. Thema? „Wird nicht verraten!“ Nur so viel: „In den Sommerferien werde ich intensiv daran arbeiten.“ Als Forschungs-Stipendiat in der Thomas-Mann-Villa in der Nähe von Los Angeles. Er habe sich beworben und arbeite als einziger Schauspieler dort, neben Forschern und Universitätsprofessoren.

Termine: „Kaufmann von Venedig“ am 25. Feb., 3., 8., 16., 30., 31. März. Tel: 36 99 11.

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