Viele Infizierte befürchtet Neue Regeln in Notunterkünften

Düsseldorf. · Ausgerechnet vor dem Kälteeinbruch wurde bei einem Obdachlosen die britische Mutation nachgewiesen. Die Behörden reagieren.

In der Notunterkunft an der Graf-Adolf-Straße übernachtete ein Besucher mit Corona-Infektion.

Foto: Anne Orthen (orth)/Anne Orthen (ort)

Nach dem Nachweis der britischen Mutation des Coronavirus bei einem Obdachlosen haben die Behörden am Wochenende die Schutzvorkehrungen in Notunterkünften verschärft und hunderte Tests veranlasst – ausgerechnet zeitgleich zu dem massiven Kälteeinbruch, der in der Nacht zu Sonntag begann. Die Sorge vor einer Masseninfektion bestätigte sich zunächst nicht: Bis Sonntagabend wurde nur eine weitere Corona-Infektion nachgewiesen. Die Tests sollen am Montag fortgesetzt werden.

In den Notschlafstellen gibt es als erste Reaktion nur noch Einzelzimmer, nach dem zuvor bereits zum Infektionsschutz höchstens zwei Personen zusammen untergebracht worden waren. Die Stadt hat Hotelzimmer in der Nähe des Hauptbahnhofs angemietet, damit die Kapazitäten trotzdem ausreichen. Außerdem bleiben zwei Notunterkünfte ausnahmsweise auch über den Tag offen, auch, damit Kontakte leichter nachzuvollziehen sind.

Ein Obdachloser, der mit der britischen Corona-Mutation infiziert war, hatte mehrfach in der größten Notschlafstelle an der Graf-Adolf-Straße übernachtet. Dort fanden bislang rund 60 Personen Platz. Weil er in eine andere Unterkunft umziehen sollte, wurde routinemäßg der Test veranlasst. Am Freitag wurde nicht nur der positive Befund bekannt. Düsseldorf lässt derzeit alle Tests auf die britische Mutation untersuchen – und das Labor wies sie in diesem Fall nach.

Noch am Freitagabend wurden der getestete Mann, dessen Zustand laut Stadt gut ist, und 16 Kontaktpersonen unter Quarantäne gestellt. Rettungswagen brachten sie unter Schutzbedingungen in die städtische Quarantäneeinrichtng in Stockum. In dem Tagungshotel FFFZ werden dort jene Menschen untergebracht, die sich wegen eines Corona-Verdachts isolieren müssen, aber entweder obdachlos sind oder in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen. Mit Unterstützung von Streetworkern sollten 13 weitere Kontaktpersonen aufgefunden werden.

In der Notunterkunft an der Graf-Adolf-Straße übernachtete ein Mann, der mit der britischen Mutation infiziert war.

Foto: Anne Orthen (orth)/Anne Orthen (ort)

Der Leiter des Gesundheitsamts, Klaus Göbels, sagte in einer ersten Reaktion, man nehme den Fall „sehr ernst“. Die britische Mutation gilt als erheblich ansteckender, darüber hinaus seien Obdachlose eine gefährdete Gruppe, nicht zuletzt, weil die Schutzregeln wegen der „multiplen Problemlagen“ dieser Gruppe, also etwa psychischen Erkrankungen, nicht von allen eingehalten werden könnten.

Mit einer Schnelltest-Offensive wollten die Behörden weitere Infizierte schnell finden. An
17 Standorten wurden Tests angeboten. Insgesamt 172 Menschen wurden getestet. Der Infizierte und eine Kontaktperson wurden ebenfalls in Quarantäne geschickt.

Das Gesundheitsamt beobachtet die Ausbreitung der Mutation mit Sorge. Am Donnerstag war sie bei Teilnehmern eines geschäftlichen Treffens erstmals in der NRW-Landeshauptstadt nachgewiesen worden. Zwar gehen Experten davon aus, dass die Ausbreitung nicht aufzuhalten ist. Das Gesundheitsamt will sie aber durch Isolierung von Infizierten verlangsamen. Düsseldorf hat sich entschieden, bei jeglichem engeren Kontakt ohne Schutzmaßnahmen vorsorglich eine Quarantäne anzuordnen. Außerdem kümmert sich ein eigenes Team um die Nachverfolgung.

Wegen der Kälte sind die Notbetten derzeit stark gefragt. Bei einer Konferenz am Sonntagnachmittag berieten Ämtervertreter über weitere Reaktionen, allerdings offenbar zunächst ohne Ergebnis. Die Kapazitäten reichten nach wie vor aus, so dass niemand die Nacht auf der Straße verbringen müsse, heißt es. Streetworker sind unterwegs, um für die Einrichtungen zu werben. Aus Sicht des Geschäftsführers der Franzfreunde, Jürgen Plitt, hat die Stadt gut reagiert. „Ich habe den Eindruck, das wurde gut abgefedert.“ Die Franzfreunde betreiben das Streetwork im Auftrag der Stadt.

Obdachlose sind durch die Pandemie massiv betroffen. Tageseinrichtungen haben ihre Kapazitäten reduziert, Beratungsstellen sind geschlossen, darüber hinaus lassen sich Kontakte in Gemeinschaftseinrichtungen kaum vermeiden. Die Obdachlosenhilfe Fiftyfifty beklagt zudem, viele Menschen würden ablehnender reagieren, weil sie eine Infektion fürchten. Ob sie häufiger erkranken, ist unklar. Franzfreunde-Chef Jürgen Plitt glaubt das nicht. „Wir haben den Eindruck, dass Obdachlose sich nicht häufiger mit Corona infizieren als der Durchschnitt der Gesellschaft“, sagt er.