Gastronomie in Zeiten von Corona Düsseldorfer Wirte fordern: Schließt endlich alle Restaurants

Düsseldorf · Bei den Gastronomen gibt es heftige Kritik am „Kompromiss“ der Stadt Düsseldorf. Ein Rechtsanwalt spricht von „juristischem Neuland“.

Kerstin Raab-Schwan (hier überprüft sie in ihrem Restaurant Reservierungen) fordert die Schließung der Restaurants.

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In Köln sind alle Restaurants seit Tagen dicht, in Düsseldorf dürfen sie von 6 bis 15 Uhr weiter öffnen. Doch das wollen die meisten Gastronomen gar nicht. Sie halten ihre Lokale nur noch offen, weil die Angst da ist, alle Schadensersatzansprüche zu verlieren. Und kritisieren Oberbürgermeister Thomas Geisel. „Wir brauchen endlich eine einheitliche Regelung für die Gastronomie. Alles Andere richtet nur Schaden an“, sagt Isa Fiedler, die Sprecherin der Altstadtwirte. Der Oberbürgermeister sprach sich am Donnerstag erneut dagegen aus: „Wichtig ist jetzt, dass die angekündigten Hilfsgelder schnell bei den Betroffenen ankommen.“

Bereits am Sonntag hatten sich auch die Restaurantbesitzer bei der Wirteversammlung in der Mehrheit dafür ausgesprochen, dass die Stadt eine Schließungsverfügung für sämtliche Betriebe anordnet. Ihr Argument: Wir verlieren sonst alle möglichen Ansprüche auf Schadensersatz. Das wiederum hatte die Verwaltung bestritten. Für Rechtsanwalt Urs Breitsprecher ist das schwer verständlich: „Das was jetzt passiert, ist eine völlig neue Situation. Wir haben im Studium mal theoretisch durchgespielt, was bei einer Pandemie passiert. Urteile dazu gibt es bisher nicht.“ Der Zivilrechtler vertritt selbst einen Gastronomen und einen Mandanten, der vier Fitness-Studios betreibt, die ebenfalls zumachen mussten. „Wir haben Urteile, die sind ganz klar. Wenn ein Betrieb nicht mehr zu erreichen ist, weil er durch eine Baustelle blockiert wird, muss er keine Miete mehr bezahlen. Aber was bei einer Pandemie passiert, ist völlig unklar“, so Breitsprecher.

Allerdings unterstützt der Rechtsanwalt die Argumente der Wirte: „Es gibt Gastronomen, die haben eine Betriebsausfallversicherung. Und die zahlt auf keinen Fall, wenn die Lokale freiwillig geschlossen werden.“ Ähnlich dürfte es beim Kurzarbeitergeld aussehen. Zurzeit bemüht sich der Anwalt darum, dass seine Mandanten an die versprochene Unterstützung kommen: „Im Moment gibt es noch kein Geld.“ Warum die momentane Regelung für die Wirte dramatische Folgen hat, beschreibt Kerstin Rapp-Schwan: „Wir versuchen, unsere Betriebe so lange wie möglich offen zu halten, um keine Ansprüche zu verlieren.“ Das ergebe aber wenig Sinn, weil keine Gäste mehr kommen. Am Mittwoch habe man im Schwan am Burgplatz noch drei oder vier Besucher gezählt. Das könne sich nicht rechnen. Sie befürchtet ein Massensterben in der Gastronomie, wenn die Stadt nicht  durchgreift.

Die Gewerkschaft „Nahrung, Genuss, Gaststätten“ (NGG) hat in einer Pressemitteilung am Freitagmorgen den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) aufgefordert, per Tarifvertrag eine deutliche Aufstockung des Kurzarbeitergelds für die Branche auf den Weg zu bringen. Denn: „Die meisten Kellnerinnen, Köche und Hotelfachangestellten müssen jetzt zuhause bleiben. Zwar können sie Kurzarbeitergeld bekommen. Das liegt aber nur bei 60 Prozent (Eltern: 67 Prozent) des ohnehin oft geringen Einkommens. Für viele Betroffene geht das an die Existenz“, sagt Zayde Torun von der NGG-Region Düsseldorf-Wuppertal. Bislang hätte die Dehoga das aber abgelehnt.

„Es gibt Restaurants, die können noch fünf, sechs oder sieben Wochen durchhalten. Aber was kommt dann?“, fragt Kerstin Rapp-Schwan, „ich muss im Moment mit Tränen in den Augen Leute entlassen, die ich erst vor ein paar Wochen eingestellt habe.“ Dass in Düsseldorf so zögerlich gehandelt werde, ärgert die Schwan-Chefin massiv. Zumal es inzwischen die ersten Entscheidungen gebe: „In Berlin hat ein Gastronom freiwillig geschlossen und dann Kurzarbeitergeld für seine Mitarbeiter beantragt. Er hat es nicht bekommen.“ Darum sei eine Schließungsverfügung für die gesamte Gastronomie überfällig. Hinzu komme, dass zwar jede Menge Versprechungen gemacht werden, bislang seien das aber nur Worte. „Der Landschaftsverband soll uns entschädigen, aber bis jetzt ist nichts passiert“, ärgert sich Kerstin Rapp-Schwan. Wenn in den nächsten drei oder vier Wochen kein Geld komme, würden viele Lokale das nicht überleben.

Der Oberbürgermeister verweist darauf, dass von Seiten der Stadt notwendige Hilfen zur Verfügung gestellt werden: Die Terrassengebühren sollen ebenso gestundet werden wie die Gewerbesteuerzahlungen. Darüber hinaus können bei Insolvenzgefahr auch die Mittel aus dem gerade erst eingerichteten kommunalen Überbrückungsfond in Anspruch genommen werden.„Wir müssen auch an die Zeit nach Corona denken“, sagt Thomas Geisel, und: „Wir müssen dafür sorgen, dass in der Krise nicht unsere ganzen Strukturen zerstört werden.“ Die Gastronomie, die Kultur und die vielen anderen Veranstalter seien wichtige Bestandteile des urbanen Lebens.