Betreuung in Corona-Zeiten Eltern aus Düsseldorf kritisieren Kita-Verbot für Kinder mit Schniefnasen

Düsseldorf · Für Eltern kann es eine bittere Pille sein, wenn der Anruf aus der Kita kommt. Eine Mutter hat nun einen Brandbrief an den NRW-Familienminister geschrieben.

Eine laufende Nase ohne Begleitsymptome war in der Vergangenheit kein Grund, das Kind von der Kita auszuschließen. In der Pandemie ist das anders.

Foto: Ines Arnold

Auch wenn seine Tochter erst zwei Jahre alt ist, hat sich Thomas Quindt bereits daran gewöhnt, dass Emmas Nase besonders in den Sommermonaten unentwegt läuft. Ein typischer Kinder-Schnupfen sei es, ohne Begleitsymptome wie Husten oder gar Fieber. Und dennoch war die „Schniefnase“ der Grund für einen Anruf aus der Kita, Emma müsse mit ihren Krankheitssymptomen aufgrund der strengen Auflagen des Ministeriums abgeholt werden. Nachdem wochenlang die Kitas geschlossen waren, Thomas Quindt und seine Frau Urlaubstage aufbrauchten und sich im Alltag mit Betreuung und Job abwechselten, liegen die Nerven nun erneut blank: „Was sollen wir denn machen, wenn unsere Tochter einen harmlosen Dauerschnupfen hat, die Ansage aber lautet, dass das Kind 48 Stunden symptomfrei sein soll?“

Das fragen sich viele Eltern. „Die Vorgaben zum Umgang mit Kindern, die Krankheitssymptome aufweisen, machen es derzeit sehr schwer bis unmöglich, dass Kinder regelmäßig in die Kitas gehen können“, sagt auch Milva Reehuis, die Mutter von drei Kindern ist und wegen der Regelung einen mehrseitigen Brandbrief an NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) geschrieben hat. Schließlich bekämen die Kinder gerade jetzt, nach den wochenlangen Kita-Schließungen, im Kontakt mit den anderen Kindern die typischen Kinderkrankheiten. Eine harmlose Schnupfennase sei bei den meisten Kindern ohnehin in den Herbst- und Wintermonaten Dauerzustand.

Das NRW-Familienministerium hat bereits auf wachsende Kritik reagiert und eine Handreichung in der sogenannten Neuregelung „zur Wiederaufnahme von Kindern nach einer Erkrankung mit Symptomen von Covid-19“ geändert. Demnach müssen Eltern vorläufig kein ärztliches Attest mehr vorlegen, um das Kind wieder in die Kita bringen zu dürfen. Sie bescheinigen selbst, dass das Kind 48 Stunden symptomfrei ist. Ein richtiger Schritt aus der Sicht des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Denn: Die Vorgabe des Attests sei medizinisch weder besonders sinnvoll noch lasse sie sich in der Praxis effizient umsetzen. „Ein Kind, das akut krank ist, gehört nicht in die Kita, das war schon vor Corona so“, betont der Düsseldorfer Kinderarzt Hermann Josef Kahl als Mitglied des Berufsverbands. Schwierig werde es bei Kindern mit leichten Krankheitssymptomen. „Natürlich werden Kinder auch in Zukunft all die normalen Infekte haben, die sie immer schon hatten. In diesen Fällen wird es aufgrund der derzeitigen Lage auch so sein, dass die Kinder häufiger als früher zu Hause betreut werden müssen. Ob dies bei jeglichen Krankheitszeichen, wie vom Ministerium vorgeschrieben, sinnvoll ist, kann sicher bezweifelt werden“, heißt es weiter vom Berufsverband.

Sicher ausschließen, dass sich ein Kind mit Covid-19 infiziert hat, könnten die Ärzte nicht. Dazu sei ein Abstrich, ein Covid-19-Test erforderlich, der aber bei „unspezifischen Symptomen“ wie beispielsweise Schnupfen nicht durchgeführt werde. Kinderarzt Kahl begrüßt deshalb die Entscheidung des Ministeriums, dass es nun in der Verantwortung der Eltern liegt, das Kind nach 48 Stunden ohne Symptome wieder in die Kita zu bringen. „Verantwortungsvolle Eltern schicken ihr krankes Kind nicht in die Kita. Eltern müssen in ihrer Entscheidung dann aber auch ernst genommen werden.“

Ob das im Alltag funktionieren kann? Schon die Frage, was ein krankes Kind ist, birgt Diskussionspotenzial. Birgit Groß, Abteilungsleiterin der evangelischen Kindertageseinrichtungen, betont, dass die Vorgaben des Ministeriums diesbezüglich eindeutig seien: Kinder, die Krankheitssymptome aufweisen — Schnupfen, Halsschmerzen, Beeinträchtigungen des Geschmackssinns oder Husten, und zwar egal in welcher Ausprägung — dürfen nicht die Kita besuchen. „Ich habe großes Verständnis für Eltern, die sich aktuell in der noch herausfordernden Situation befinden, den Spagat zwischen Familie und Beruf hinzubekommen. Aber wir tragen eine große Verantwortung allen gegenüber. Den Kindern, den Familien, aber natürlich auch unseren Mitarbeitern gegenüber.“

Entsprechend sensibilisiere und berate das Kitapersonal die Eltern auch dahingehend, die Symptome trotz der neuen Regelung medizinisch abklären zu lassen. „Wenn ein Kind symptomfrei, aber angeschlagen nach zwei Tagen wieder in die Einrichtung kommt: Wer weiß denn schon, was es war und wen das Kind im Zweifel angesteckt hat oder noch anstecken wird?“, erläutert Groß. Laut der Handreichung des Ministeriums könne die Einrichtungsleitung bei begründeten Zweifeln von Eltern verlangen, das Kind doch noch von einem Kinderarzt untersuchen zu lassen. „Eltern müssen ja nicht unbedingt in eine Praxis gehen, sie können sich auch über die Corona-Hotline der Stadt informieren“, rät Groß.

Auch Thomas Quindt hat sich an die Hotline gewandt. Dort sagte man ihm, dass Tochter Emma im Diagnose-Center auf dem Gelände der Mitsubishi Electric Halle getestet werden könne. „Ich habe mich direkt mittesten lassen. Wenn man schon mal die Gelegenheit hat, warum nicht?“, sagt er. Wenige Tage später erhielt die Familie das Ergebnis: „Negativ natürlich.“

Tochter Emma sei nun wieder in der Kita. „Fragt sich nur, wie lange.“ Es sei durch die verkürzten Betreuungszeiten der Kita ohnehin schwierig, das Arbeitspensum zu erfüllen. Wenn nun aber wegen einer Schnupfennase weitere Tage drauf gingen, an denen ein Elternteil nicht arbeiten könne, sei das nicht hinzunehmen. Und die Erkältungssaison habe noch nicht einmal begonnen.