Düsseldorf Das große Comeback der Schallplatte
Die Vinyl-Nachfrage steigt auch in Düsseldorf wieder. Saturn an der Königsallee hat seine Abteilung jetzt sogar verdoppelt — auch für viele junge Kunden.
Düsseldorf. Es gibt sie noch, diese schönen, alten Dinge: Bücher, Filterkaffee, Sonntagsbraten und natürlich auch Vinyl-Schallplatten. Wer hätte gedacht, dass die ollen Scheiben, die Mitte der 1990er Jahre von den Compact-Discs beinahe komplett vom Markt verdrängt wurden, eine solche Renaissance erleben werden? Und so wird zum Fest in diesem Jahr wie einst in den 70ern und 80er Jahren wieder jede Menge Vinyl unterm Weihnachtsbaum liegen. Und vielleicht sogar ein Plattenspieler dazu?
Der Vinylboom macht es möglich: Plattenspieler sind wieder stark im Kommen. Neben Vintagegeräten gibt es eine breite Auswahl an neuen Modellen (bereits ab 60 Euro). Dabei hatten fast alle namhaften Produzenten ihre Serienfabrikation eingestellt. „Analog war vorgestern“, hieß es. 2010 lief bei Panasonic der letzte Technics 1210 vom Band. Der Restmarkt wurde Manufakturen wie Pro-Ject-Audio aus Österreich überlassen, die allerdings bald einen sprunghaften Anstieg der Nachfrage verspürten.
Aller Digitalisierung zum Trotz führten die stabilen Vinylverkäufe in den USA und Europa dazu, dass seit Anfang des Jahres auch die großen Elektrokonzerne wieder mit Riemen- und Direktantrieb im Rennen sind. Neben den High-End-Linien sind preiswerte Geräte in allen Farben und Formen aufgeblüht, werden selbst bei Discountern angeboten.
Seit einem Jahrzehnt erreichen die Verkäufe der totgesagten Longplayer Zuwachsraten im mittleren zweistelligen Bereich. Knapp 700 000 Platten gingen in Deutschland allein im ersten Quartal 2016 über die Ladentheken, der Verkauf in der zweiten Jahreshälfte ist um 50 Prozent gestiegen. Die Engländer gaben im letzten Jahr sogar 2,8 Millionen Pfund für Vinyl aus. Vor zwei Wochen überholten die scheinbar antiquierten Tonträger erstmals die Erlöse der Streamings und Downloads!
Auch in Düsseldorf spürt man die wachsende Nachfrage. Vinylschätzchen gibt es bei Hitsville (Wallstr. 21) oder Aras (Ellerstr. 180), Neuerscheinungen bei A & O-Medien (Schadowstr. 11) und in den Saturn-Filialen. Die auf der Kö (im Sevens) hat erst vor Kurzem ihre Vinyl-Präsenz verdoppelt. Abteilungsleiter Thomas Oettel: „Die Nachfrage war schon in den letzten Jahren enorm, wir sind froh, dass wir unser Angebot vor dem Weihnachtsgeschäft so übersichtlich vergrößert haben.“
Etwa 1000 verschiedene neue und wiederveröffentlichte Titel bestimmen das Angebot. Gut, die Vinyl-Charts sprechen eine eindeutige Konsumentensprache. Hier herrschen die Bands für Oldies wie Rolling Stones, Leonard Cohen, Pink Floyd oder Neil Young vor, aber auch Broilers und Antilopen Gang belegen obere Plätze. „Es gibt sehr unterschiedliche Käufer. In letzter Zeit sind auch immer mehr junge Menschen darunter“, hat Oettel beobachtet.
Das schwarze Gold ist so begehrt, dass die Fertigung an ihre Grenzen stößt. Die Bundesrepublik verfügt gerade mal über noch eine verbliebene Plattenpresse, die allerdings an 365 Tagen des Jahres rund um die Uhr im Einsatz ist. Von einem Retrotrend zu sprechen, wird der Sache nicht gerecht. Frisches Vinyl, mit 180 Gramm so schwer wie ein Filet im Steakhaus (die Klangqualität hängt allerdings nicht von der Dicke des Vinyls ab), ist ein sinnliches Vergnügen. Schallplatten klingen wärmer, sammeln sich schöner — und adeln die Musikanlage zu einem echten Möbelstück.
Der durchschnittliche Plattensammler ist 48 Jahre alt und männlich. Darunter gibt es sowohl die High-Tech-Snobs, die ihr Vinyl lediglich auf einen Technics SL-1200G für ab 3500 Euro legen, als auch die Besucher von Schallplattenbörsen. Auf diesen regelmäßig in Düsseldorf (z.B. am Sonntag im Weiterbildungszentrum hinterm Bahnhof) stattfindenden Nerd-Treffen findet man nur sehr wenige Vertreterinnen des starken Geschlechts. Eigentlich komisch, wo sich doch an solchen Orten das Odeur von Nikotin und Muff der abgegriffenen Plattencover mit dem Geruch der anwesenden Abenteuermänner auf der Jagd nach ihren Schätzchen so angenehm mischt. Dabei könnte die Damenwelt gerade hier ungestört und unbeobachtet stöbern oder Männer dabei beobachten, wenn diese andere Objekte der Begierde bevorzugen.
Aber wahrscheinlich ist genau das der Grund ihrer Abwesenheit. Dabei kann es durchaus weiterbildend sein, zu beobachten, wenn sich bei den Jägern und Sammlern Gesichtsröte, Glanzauge und steigender Körpertremor einstellen, sobald sie ein paar rare Sammlerstücke entdeckt haben. Für Sexologen ein klarer Fall von Objektophilie. Welcher Deviation allerdings die sieben Prozent aller Vinylkäufer, die gar keinen Plattenspieler besitzen, zuzuordnen sind, weiß auch der Autor dieser Zeilen nicht. Allerdings hat er großes Verständnis für das haptische Vergnügen das Runde aufs Runde zu legen, für geliebte Kratzer und die warme Atmosphäre, die durch ein paar sorgsam umherliegende Plattenhüllen in einem Raum verbreitet wird. In diesem Sinne: Fröhliche Weihnachten.