Die Bühne wird zum Rathaus
Wie erleben Bürger die Demokratie? Im neuen Stück „Düsseldorf first!“ stellen sich Laiendarsteller und Politiker diesen Fragen.
Die Bürgerbühne des Schauspielhauses hat es sich zum Ziel gesetzt, gesellschaftspolitische und soziale Themen auf die Bühne zu bringen — indem sie die Bürger selbst in den Fokus rückt. Das Theaterstück „Düsseldorf first“ bringt diese Idee auf den Punkt: Elf Laiendarsteller und auch Lokalpolitiker präsentieren ihre ganz eigene Sicht auf die Politik der Stadt. Inszeniert als eine Ratssitzung zeigt das Stück überspitzt und realistisch zugleich das politische Chaos, ganz so wie es sich in vielen Parlamenten ereignet, wenn Stimmen von Links bis Rechts versuchen, auf einen Nenner zu kommen.
Jeder hat etwas zu sagen, doch was nützen die vielen Worte? Darum geht es in der neuen Produktion, die am Samstag im Central Premiere feierte. Wer macht eigentlich die Politik der Stadt, in der wir leben und wie funktioniert sie? Und könnte vielleicht auch ich etwas bewegen? Diese Fragen haben sich auch die Darsteller selbst gestellt. Jeder von ihnen erzählt dem Publikum seine Geschichte. Sie handeln von der Lust auf aber auch von Frust durch Politik.
So unterschiedlich die elf Darsteller auch sind, eines haben sie gemeinsam: Jeder von ihnen hat seinen Weg gefunden, sich einzubringen. Einige sind in Ortsvereinen, Bezirksvertretungen oder als Ratsmitglied tätig, andere sind Sozialarbeiter, einer sogar Anarchosyndikalist.
Ihre Erfahrungen zeigen: Das tiefe Bedürfnis, sich an dem politischen Geschehen in seiner Stadt zu beteiligen, kann tatsächlich dazu führen, dass Dinge angepackt werden, die Bürger in ihrem Alltag beschäftigen. Manchmal trifft dieses Bedürfnis jedoch auf Ablehnung, wenn man etwa trotz aller Bemühungen bei keiner Partei willkommen zu sein scheint, wie es bei einer Darstellerin der Fall war. Ihre Geschichte zeigt, dass man auch jenseits der Politik etwas für die Gesellschaft tun kann, zum Beispiel, indem man sich für ein Ehrenamt entscheidet.
Auch Politiker stehen auf der Bühne. Bei jeder Vorstellung wird eines von vier echten Ratsmitgliedern Teil der Inszenierung sein. Den Anfang machte Ratsherr Ulf Montanus. Regisseurin Miriam Tscholl erschafft auf der Bühne eine chaotische Ratssitzung, deren Tagespunkte von Kanadagänsen im Zoopark über steigende Mieten bis hin zur ungerechten Einkommensverteilung reicht. Projektionen und kleine Einspieler sind ebenso zentrale Stilmittel wie die menschengroßen Buchstaben im Bühnenbild. Vom Zuschauer fordert die Inszenierung volle Aufmerksamkeit und Einsatz, denn das Publikum wird in den Entscheidungsprozess aktiv eingebunden. Jeder kann über ein kleines Abstimmungsgerät über 50 Punkte der Tagesordnung mit abstimmen. Am eigenen Leib erlebt der Zuschauer so, dass direkte und ständige Beteiligung auch Arbeit ist. Dafür bekommt er jedoch auch einen Eindruck davon, wie Bürgerbeteiligung und Volksentscheide die politische Landschaft verändern könnten.
Das Publikum entkommt nicht der Frage, wie viel Bürgerbeteiligung eigentlich sinnvoll wäre, wenn doch viele nicht einmal den Namen des Oberbürgermeisters oder die Anzahl der Ratsmitglieder kennen. Hier finden die Regie von Miriam Tscholl und die Dramaturgie von Dagrun Hintze einen überraschend episch anmutenden Höhepunkt.
Getragen wird die Inszenierung durch die Leistung der elf Darsteller. Durch ihre unterschiedlichen Spielarten entsteht auf der Bühne eine ständig wechselnde und sehr persönliche Stimmung, die den Zuschauer unterhaltsam in ihren Bann zieht.
Die Bürgerbühne präsentiert sich mit dem Stück „Düsseldorf first!“ als erfrischende Alternative zum klassischen Theater.