Düsseldorf Dorothee Achenbach und ihre Schreibtherapie

Bei der ersten Lesung ihres Buches legt die Ehefrau von Helge Achenbach einen routinierten Auftritt hin.

Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Egal, ob der Buchtitel „Meine Wäsche kennt jetzt jeder“ Vorwurf, Versprechen oder schlicht eine Behauptung ist - die Wäsche von Dorothee Achenbach kennt auch nach der Lesung der Autorin in der Buchhandlung Mayersche Droste beileibe kaum einer. Das hat auch wohl kaum jemand erwartet. Aber was dann von der Ehefrau des Kunsthändlers in Haft, der zu sechs Jahren Gefängnis und 20 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt ist — allerdings noch nicht rechtskräftig.

„Eine Autobiographie ist das nicht?“ - es ist mehr eine Frage, die eine Frau der anderen stellte. Im Publikum wird spekuliert, warum Dorothee Achenbach das Buch geschrieben hat. Weil sie Geld braucht, meint ein Zuhörer pragmatisch. Eine Freundin der Autorin meint lächelnd: „Sie macht jetzt eben, was sie will.“ Dies sei „ihre ganz persönliche Bilanz nach anderthalb Jahren Leben im Ausnahmezustand“, erklärt die Kunsthistorikerin und Journalistin vor rund 200 Zuhörern, vornehmlich Frauen mittleren bis höheren Alters.

Wer spekulierte, Dorothee Achenbach würde in ihrem Buch schmutzige Wäsche waschen, mag enttäuscht sein. Tut sie nicht, wenigstens nicht im übertragenen Sinne. Aber in der Realität. Ein Besuch ihres Mannes in der U-Haft bedeutet nicht nur kontrollierten Wort-, sondern auch ebensolchen Wäschewechsel. Achenbach: „Dafür sind in der U-Haft Ehefrauen und Mütter zuständig. Wohl dem, der noch welche hat.“

Den Namenswechsel — Helge Achenbach heißt im Text Bernhard Krämer — brauchte sie für den „fiktionalen Abstand“ während ihrer „Schreib-Therapie“. Das sei nicht als Typ- oder gar Job-Beschreibung zu verstehen. „Krämer war der Mädchenname meiner Schwiegermutter“, erzählt Dorothee Achenbach, „auch Bernhard kommt in der Familie öfter vor.“ Nur einmal nennt sie ihn dann doch Helge: als sie ein Weihnachtsgedicht vorliest, das Achenbach in seiner Zelle verfasst hat.

Die Autorin verurteilt den Gatten nicht auch noch wegen Betrugs. Es gibt nur hier und da nur vage Andeutungen und vorweg ein Epikur-Zitat: „Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug.“ An manchen Stellen beneidet die Existenzkämpferin sogar ihren Mann um die Ruhe im Knast.

Es sei ihre erste öffentliche Lesung, gesteht die Autorin, die vor fünf Jahren schon mal ein Kinderbuch geschrieben hat. Schmal, beinahe halbtransparent wirkt sie vor purpurrotem Vorhang, eingerahmt von Regalen voller Weltkugeln. Sie liest routiniert, wechselt die Stimmlage, stöhnt auch mal, wenn es um Begegnungen mit Gerichtsvollziehern geht. Das Publikum folgt ihr aufmerksam, und zwischendurch gibt’s schon mal Gluckser, sogar ein Auflachen. Humor, erklärt Achenbach, sei hilfreich in so einer absurden Situation, aber mehr noch Freunde und Familie. Und nicht zuletzt: Aufschreiben. Das ist erfolgreich.

Das kann auch Dr. Jürgen Kronen vom Droste-Verlag bestätigen, der anfangs dachte, einen unglaublichen Roman vor sich zu haben. Er freut sich, das gedruckte Werk „weder gekürzt, zensiert oder mit geschwärzten Stellen“ feilhalten zu können. Eine einstweilige Verfügung der Familie des „großen Discounters“ wurde vom Gericht zurückgewiesen. Ein Erfolg auch fürs Buch. Rund 50 000 Exemplare sind bereits verkauft. Die Schlange am Signiertisch war lang. Geduldig schreibt Achenbach persönliche Widmungen. Die Frauen bedanken sich und wünschen ihr mit ernsten Gesichtern „alles Gute“.