Amt für Migration und Integration Bei der Düsseldorfer Ausländerbehörde stauen sich Termine
Düsseldorf · Rund 10.000 Termine mussten im ersten Lockdown verschoben werden und sind noch nicht abgearbeitet. Für Menschen, die auf ihre Arbeitserlaubnis warten, kann das schwerwiegende Folgen haben.
Geflüchtete und Arbeitgeber beklagen Verzögerungen beim Düsseldorfer Amt für Migration und Integration. Die Bearbeitung von Anträgen dauere teils Monate, sodass Ausbildungs- und Arbeitsverträge nicht zustande kommen. Amtsleiterin Miriam Koch bestätigt einen Rückstau – 10 000 Termine mussten im ersten Lockdown verschoben werden und wurden noch nicht vollständig abgearbeitet.
Für Menschen, die auf ihre Arbeitserlaubnis warten, hat das teilweise schwerwiegende Folgen. Seit 2017 lebt Sahar Heydari (Name von der Redaktion geändert) in Deutschland. Die Mitte-30-Jährige, die im Iran studiert und dort im Rechnungswesen gearbeitet hat, nutzt Redewendungen wie „in letzter Sekunde“ und zitiert Paragrafen aus dem Aufenthaltsgesetz. Doch in Deutschland angekommen fühlt sie sich nicht. „Ich bin immer noch da, wo ich vor Jahren war“, sagt sie. „Es hat sich nichts geändert.“ Grund dafür ist vor allem, dass sie noch immer nicht arbeiten kann.
Während der ersten Zeit in einer Unterkunft haben Geflüchtete ein Beschäftigungsverbot. Möglich sind nur rein schulische Ausbildungen, Praktika, Studium und „Arbeitsgelegenheiten“. Für Geflüchtete, die in Deutschland geduldet werden, kann dieses Verbot auch länger dauern. Sahar Heydari benötigt eine Ausbildungsduldung, um in Deutschland arbeiten zu können. Mit dieser könnte sie nicht abgeschoben werden und schneller eine Aufenthaltserlaubnis bekommen.
Nun hat sie eine neue Ausbildungsstelle in Aussicht. Von der IHK ist das bereits genehmigt, seit Januar aber wartet sie auf die Bestätigung des Amts für Migration und Integration. Auf E-Mails werde nicht reagiert, teilweise gehe niemand ans Telefon, einmal habe man ihr sogar falsche Informationen geliefert. Bei Terminen vor Ort beschreibt sie die Behandlung zum Teil als abfällig. Welche Anträge in welcher Geschwindigkeit bearbeitet werden, komme ihr vor wie Willkür.
Auch Arbeitgeber bestätigen die langen Prozesse. Der Geschäftsführer eines Düsseldorfer Unternehmens beschäftigt seit Ende 2020 mehrere Geflüchtete. Weil die Praktika gut liefen, bot der er ihnen Ausbildungsplätze als Lageristen an, zuvor sollten sie eine sogenannte Einstiegsqualifizierung machen. Anders als beim Praktikum könnten die Beschäftigten dann auch bezahlt werden. Bis heute haben die Betroffenen aber keine Bestätigung für die Einstiegsqualifizierung, zwischen den Antworten der Behörde lägen Wochen. „Darum verlängern wir die Praktika immer weiter“, sagt der Unternehmer. Er habe zwar Verständnis für die bürokratischen Prozesse einer Behörde, doch die Wege seien zu lang. „Wenn wir das Unternehmen Ausländerbehörde wären, wären wir nach einem Tag insolvent gegangen“, sagt er.
Seine Beschäftigten schätzt er als fleißig und loyal – er möchte sie um jeden Preis halten. Doch der Aufwand, der mit der Beschäftigung von Geflüchteten verbunden ist, ist vielen Firmen zu hoch ist, glaubt der Geschäftsführer. „Viele Unternehmen wollen nicht riskieren, dass ihre Mitarbeiter plötzlich doch abgeschoben werden“, sagt er. „Es fehlt die Planungssicherheit.“
Das bestätigt Rachid El Mellah, Flüchtlingslotse der IHK Düsseldorf. Die Bereitschaft, Menschen mit Fluchthintergrund beruflich zu integrieren, sei vor allem abhängig von der Rechtssicherheit, Berechenbarkeit und Transparenz von Verfahren, wenn es um berufliche Bleibeperspektiven geht. „So haben Verzögerungen in den Verfahren oder verspätete Rückmeldungen dazu geführt, dass in einigen Fällen Ausbildungsverträge mit Geflüchteten nicht zustande kamen.“ Dies spreche sich in Unternehmernetzwerken herum, was die Integration der Geflüchteten zusätzlich erschwere.
„Man verhindert die Integration, die man fördern will“, sagt Jürgen Grosche, der ehrenamtlich Geflüchteten wie Sahar Heydari bei Behördenangelegenheiten hilft. Die Angestellten des Düsseldorfer Unternehmens etwa wohnen weiterhin in einer Flüchtlingsunterkunft. Nach acht Jahren in Deutschland kann man Einbürgerung beantragen – auch ohne Job. Manche, berichten Grosche und Heydari, sitzen diese Zeit einfach aus. In Düsseldorf sei die Ausländerbehörde besonders restriktiv, mit den Ämtern in anderen Kommunen habe Grosche bessere Erfahrungen gemacht.
Dass es Probleme gibt, leugnet Amtsleiterin Miriam Koch nicht. Seit 2018 steht sie an der Spitze der Behörde, zuvor war sie Flüchtlingsbeauftragte. Seither hat sie einen Personalmangel zu beklagen: Aktuell sind im gesamten Amt 110 von 525 Stellen nicht besetzt – das sind 20 Prozent. In der dazugehörigen Ausländerbehörde liegt die Quote sogar bei 28 Prozent von 160 Stellen. „Wir sind für viele Arbeitnehmer nicht das, was sie sich vorstellen“, sagt Koch. Stellen seien in der Stadtverwaltung schwer zu besetzen, in der Ausländerbehörde mit Publikumskontakt noch schwerer.
Hinzu komme ein Rückstau aus dem ersten Corona-Lockdown, der auch die Behörde „total unvorbereitet“ traf, wie Koch erzählt. 10 000 Termine mussten verschoben werden – sie wurden bis heute nicht vollständig nachgearbeitet. Im zweiten Lockdown sei man darum einen anderen Weg gegangen: Vor-Ort-Termine wurden zwar abgesagt, aber die Anträge wurden im Backoffice in Abwesenheit der Betroffenen bearbeitet – eine bis dahin unübliche Praxis.
Die Probleme, sagt Koch, liegen aber noch weiter zurück. Trotz der Flüchtlingskrise 2015 sei die Ausländerbehörde „nicht mitgewachsen, weder räumlich noch personell“. Als sie das Amt für Migration und Integration 2018 übernahm, wurde es gerade neu aus unterschiedlichen Abteilungen zusammengefasst. „Uns war klar, dass wir den Laden umkrempeln müssen“, sagt Koch. Von den alten, zu kleinen Räumen an der Willi-Becker-Allee zog die Ausländerbehörde an die Erkrather Straße. „Wir haben eine grundlegende Systemumstellung und eine Pandemie hinter uns“, sagt die Amtsleiterin. Die Digitalisierung soll helfen, die Prozesse für Personal und Migranten zu beschleunigen. Die digitale Einbürgerung soll ab 2022 möglich sein, im April 2023 soll die E-Akte in der Behörde eingeführt werden.
Auch die IHK sucht den Austausch mit der Ausländerbehörde, sagt Flüchtlingslotse Rachid El Mellah. Gemeinsam starte man Beratungen, um auch den Unternehmen mehr Sicherheit zu geben und die Prozesse zu beschleunigen.