Frau Wiegmann, auch Sie sind durch die Schule der Toastmasters gegangen. Ich gehe also davon aus, dass Lampenfieber an so einem Abend nicht ihr Problem sein wird.
Interview Die innere „Ähm“-Strichliste ist immer dabei
Düsseldorf · Interview Claudia Wiegmann kam vor dreieinhalb Jahren zu den Toastmasters, einem der größten Rhetorik-Clubs in Europa, Sie wollte lernen, vor Publikum souverän frei zu reden. Am 5. September stellt sie unter Beweis, was die Toastmasters-Schule gebracht hat. Sie moderiert die zweite Düsseldorfer Rede-Nacht im Savoy-Theater.
Claudia Wiegmann (32) ist zum ersten Mal als Moderatorin bei der Düsseldorfer Rede-Nacht dabei. In acht Live-Reden zu unterschiedlichen Themen wollen die Mitglieder der Düsseldorfer Toastmasters unter Beweis stellen, was eine gute Rede alles kann: informieren, unterhalten, anregen und nachhaltig im Gedächtnis bleiben.
Claudia Wiegmann: Das würde ich so gar nicht sagen. Ich habe auch Lampenfieber, aber ich habe dank der Toastmasters gelernt, damit umzugehen. Schließlich habe ich an Clubabenden schon oft vor 40 bis 50 Mitgliedern auf der Bühne gestanden, als Moderatorin durch den Abend geführt, eine vorbereitete oder spontane Rede gehalten. Da kann man sich ganz gut ausprobieren und seine Aufregung in den Griff bekommen. Und vor der Redenacht im Savoy haben mein Co-Moderator und ich noch mal einige Proben. Auch gute Vorbereitung trägt dazu bei, das Lampenfieber zu reduzieren.
Konnten Sie denn immer gut frei reden?
Wiegmann: Nein, das nicht. Auch ich hatte mit Aufregung zu kämpfen, mit dem Einstieg, mit den ersten Sätzen. Aber ich gehörte nicht zu den Leuten, die panisch werden, sobald sie eine Bühne sehen und dann kein Wort herausbringen. In unserem Club gibt es aber durchaus auch Mitglieder, die zu Beginn größere Redeangst hatten. Und die Angst schon lange mit sich herumtrugen, im Job oder privat gehemmt waren, vor mehr als zwei Leuten etwas zu sagen. Meist gelangten sie dann zu uns in den Club, indem sie Redeangst googelten, auf uns stießen und nach drei, vier Abenden als Gäste dann Mitglied wurden.
Und dann mussten sie plötzlich auf die Bühne und vor 50 Mitgliedern eine Rede schmettern?
Wiegmann: Nein, neue Mitglieder werden da langsam herangeführt. Als Gäste sind sie erst mal nur Zuhörer und Beobachter. Aber dann müssen sie in der Tat auch auf die Bühne und sich ihrer Angst stellen, sich überwinden. Denn darum geht es ja auch. Sie fangen dann mit einer vorbereiteten, kurzen Rede an. Es ist ganz toll zu sehen, wie schnell sich Fortschritte einstellen und die Angst mit jeder Rede weniger wird, das Selbstvertrauen größer. Es ist schließlich auch ein geschützter Raum, in der sich der Redner ausprobieren kann. Ohne Konsequenzen wie vielleicht im Berufsleben, wenn eine Rede daneben geht. Aber mit jeder Menge Feedback und Verbesserungsanregungen.
Wie läuft so ein Clubabend genau ab?
Wiegmann: Nach einer kurzen Einführung in den Abend gibt es sogenannte Stegreif-Reden. Das bedeutet, dass ein Mitglied im Vorfeld bestimmte Themen herausgesucht hat und am Abend willkürlich Mitglieder aus den Reihen benennt, die dazu spontan eine Rede halten müssen. Danach folgen Reden, für die Mitglieder Vorbereitungszeit hatten. Im zweiten Teil des Abends werden dann alle Reden und Redner bewertet. Es gibt sogar einen Füllwortzähler des Abends, der jedem Redner am Ende sagen kann, wie viele Ähms oder Unds gesagt wurden. Dieses ehrliche und konstruktive Feedback ist ganz wichtig. Ohne das wird sich niemand verbessern.
Sie sind Projektmanagerin. Wie sind Sie zu den Toastmasters gekommen?
Wiegmann: Ich habe meinen Master in Dänemark gemacht und meine Kommilitonin war Präsidentin des dortigen Clubs. Sie nahm mich eines Abends mit und ich war sofort begeistert. Sich zu überwinden, nach vorne zu gehen und an sich zu arbeiten. Auch ich habe mich so von Rede zu Rede weiterentwickelt. Wie sehr es mir geholfen hat, habe ich vor allem in Bewerbungsverfahren im Assessment-Center gemerkt. Da war ich durch die Erfahrung bei den Toastmasters deutlich selbstsicherer und souveräner bei spontanen Vorträgen oder Präsentationen als Mitbewerber. Mittlerweile bin ich seit dreieinhalb Jahren bei den Toastmasters.
Und wissen, was eine gute Rede ausmacht. Was ist es?
Wiegmann: Sie muss gut strukturiert sein. Schon die Einleitung muss die Zuhörer in den Bann ziehen. Das kann ein Zitat, ein Witz, eine skurrile Geschichte oder rhetorische Frage sein. Insgesamt sollten nicht zu viele Infos transportiert werden, die Zuhörer dürfen nicht überfordert werden. Eine bildhafte Sprache, Humor und Gestik, die auf das Gesagte abgestimmt ist, tragen wesentlich dazu bei, sich die Aufmerksamkeit der Zuhörer über die komplette Länge der Rede zu sichern.
Acht solcher Reden werden Besucher des Savoy Theaters dann am 5. September erleben.
Wiegmann: Ja, absolut. Diese Reden werden dann aber keine zwei Minuten dauern, sondern 18 bis 20 Minuten. Das bedeutet natürlich dann auch eine besondere Herausforderung, das Publikum die ganze Rede hindurch mitzunehmen, ihnen eine Geschichte zu erzählen, die unterhält und informiert, aber nicht überfordert.
Werden die Zuhörer am Abend also auch keine Ähms oder andere Füllwörter hören?
Wiegmann: Doch, auch ein Füllwort wird an dem Abend fallen, da bin ich mir recht sicher (Pause, ähm). Fehler passieren. Wie auch gerade bei mir (lacht). Jeder Redner hat sein Laster, das können Füllwörter sein oder Gestiken, die sich bei Nervosität verstärken. Und so ein öffentlicher Abend, bei dem natürlich ganz genau hingehört wird, stellt die Redner dann wirklich noch mal vor eine besondere Herausforderung, nicht in alte Muster zu verfallen.
Die Themen der Reden sind sehr unterschiedlich. Es geht um Alltagshilfen, um Digitalisierung, aber auch um eine „Anleitung zum eigenen Tod“. Nach welchen Kriterien wurden die Themen ausgewählt?
Wiegmann: Alle Mitglieder durften sich mit einem Thema, das zu dem Titel der zweiten Düsseldorfer Redenacht „Morgen wird alles anders“ passt, bewerben. Eine interne Jury hat dann entschieden, welche Reden am besten zum Thema und zueinander passen.
Können Sie eigentlich noch jemandem zuhören – dem Kollegen beim Meeting oder dem Cousin bei der Hochzeitsfeier –, ohne die imaginäre Ähm-Strichliste zu füllen?
Wiegmann (lacht): Die innere Strichliste kenne ich sehr gut. Ungewollt hat man das schon intus, darauf zu achten, wie sich andere Redner präsentieren und man ist auch geneigt, Ratschläge geben zu wollen.
Und die geben Sie dann auch?
Wiegmann: Meist ja.
Dann los. Geben Sie mir ein Feedback.
Wiegmann: Sie haben sehr viel mit dem Stift herumgespielt. Ansonsten hielt sich Ihr Redeanteil ja in Grenzen. Blickkontakt war auf jeden Fall da. Und Füllwörter sind mir nicht aufgefallen, das ist doch schon mal sehr positiv.