Düsseldorf - ein schlechtes Pflaster für die Liebe
Im vergangenen Jahrzehnt lag die Scheidungsrate in Düsseldorf beinahe kontinuierlich bei über 50 Prozent.
Düsseldorf. Die Zahlen geben eigentlich Anlass zur Freude: 2009 gab es in Düsseldorf 1469 Scheidungen, das sind immerhin 220 weniger als im Vorjahr. Doch bis auf das Jahr 2002 (45,7 Prozent) lag die Scheidungsrate im zurückliegenden Jahrzehnt stets über 50 Prozent — 2008 sogar bei 64,5 Prozent. Das heißt, nicht einmal jede zweite Ehe hatte Bestand. Das belegen die Zahlen, die das Amt für Statistik und Wahlen im Statistischen Jahrbuch vorgelegt hat.
Auf 1000 Einwohner kommen 2,5 Scheidungen. Das sprichwörtliche verflixte siebte Jahr scheint es wirklich zu geben: Die meisten Ehen wurden nach fünf bis neun Jahren geschieden (41 Prozent). Von den 1469 Ehen, die im Jahr 2009 geschieden wurden, waren es 131 im siebten Jahr.
Besonders hart trifft eine Trennung gemeinsame Kinder: 2009 waren 936 unter 18-Jährige von der Trennung ihrer Eltern betroffen. Doch Kinder sind offenbar kein Scheidungsgrund. Die meisten geschiedenen Eheleute hatten keine Kinder.
Eindimensionale Erklärungen für das Ehe-Aus gibt es nicht. „Die Gründe für Scheidungen sind sehr vielfältig“, sagt Petra Evertz, die beim Sozialdienst katholischer Frauen und Männer Paare berät. „Die Menschen trennen sich aber nicht leichtfertiger als früher.“ Zwar hat sich die Zahl der Scheidungen seit 1978 fast vervierfacht. Aber das läge vor allem daran, dass es die typische Versorgungsehe, in der die Frau wirtschaftlich von ihrem Mann abhängig war, heute kaum noch gibt. Scheidungen seien immer schwierige Entscheidungen, die sich niemand leicht mache.
Einen anderen Eindruck kann man bekommen, wenn man sich mit dem Angebot der Added Life Value AG mit Sitz an der Charlottenstraße befasst. In deren Internetportal erhält der Scheidungswillige nicht nur Expertenrat, sondern auch die Möglichkeit der unkomplizierten Online-Scheidung.
„Generell helfen wir den Menschen, unnötige Kosten und Ämtergänge zu vermeiden“, erklärt Sprecher Dennis Matthias. Offenbar eine zündende Geschäftsidee — die Nachfrage boomt. Auf der Internetseite werden sogar Scheidungen verlost.
Und was sicherlich nicht jeder besonders geschmackvoll findet: Neben den eher sachlichen Serviceangeboten rund um die Scheidung organisiert das Unternehmen Scheidungspartys und -messen. „Viele wollen ihren Neubeginn zelebrieren und nutzen die Party direkt als Kontaktbörse“, sagt Dennis Matthias. Die erste Düsseldorfer Scheidungsparty im letzten Jahr sei ein voller Erfolg gewesen.
Das gelte auch für die Scheidungsmesse, das für manche etwas zynische anmutende Pendant zur Hochzeitsmesse. „Trennung und Scheidung sind Normalität“, setzt Christopher Pruefer, Vorstandsvorsitzender der Added Life Value, Skeptikern entgegen.
„Wo es Hochzeitsmessen gibt, sollte es auch Scheidungsmessen geben.“ Eheberater, Anwälte, Umzugsunternehmer, Typberater und Reiseveranstalter stellen dort ihre Angebote aus. Und wer möchte, kann sogar direkt auf der Messe Brautkleid und Ehering verkaufen. Der Termin für die nächste „New Start“ wird laut Sprecher Dennis Matthias in Kürze bekanntgegeben.
Doch wie viele Menschen geben sich eigentlich noch das Ja-Wort? Seit 2006 wächst die Zahl der Eheschließungen wieder langsam an. Im Jahr 2009 trauten sich 2713 Paare — immerhin 4,6 Personen pro 1000 Einwohner. Unterm Strich bleibt die Bilanz also positiv: Standesbeamte haben in Düsseldorf immer noch mehr Termine als Scheidungsrichter.