Stadt-Teilchen Für Düsseldorf-Genießer: Herbstferien auf dem Napoleonsberg

Düsseldorf · Hier ist das Wort „Lebelust“ mehr als nur ein Wort: Auf dem Napoleonsberg kann man sehr gut seine Zeit verbringen.

Der Napoleonsberg. Foto: Melanie Zanin

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Das ist der Gipfel. Endlich oben. War ein anstrengender Aufstieg, aber er ist geschafft. Ohne zusätzlichen Sauerstoff zuzuführen. Bestimmt zehn, zwölf Höhenmeter liegen hinter dem Besteiger, aber noch ist freies Atmen möglich. Es geht halt nichts über eine gute Kondition, wenn man Berge besteigen will. Obwohl Berg fast schon als Euphemismus durchgeht, wenn man den Napoleonsberg im Hofgarten besteigt.

Aber egal. Wer hier oben ankommt, steckt kurz standesgemäß die rechte Hand ins Wams und blickt erhaben über Düsseldorf. Nun ja, man blickt nicht über ganz Düsseldorf. Das war einmal. Als Napoleon Bonaparte Anfang des 19. Jahrhunderts diesen Berg aufschütten ließ, standen wohl noch nicht so viele Bäume drumherum. Dafür durfte der Blick frei schweifen. Hin zum Ratinger Tor und auch über die Stadt, die damals an allen Ecken und Enden verschönert wurde. Inzwischen ist überall Grün. Nur zwischen den Sträuchern und Bäumen sieht man den Verkehr huschen, der mit mächtigem Rauschen die Luft beherrscht. Von links hinten dröhnt die Kaiserstraße, von vorn, wo früher der Boulevard Napoleon auslief, der Übergang von der Heiner-Allee in die Hofgartenrampe.

Aber das spielt in diesem Moment keine Rolle, weil Geräusch sich so prima ausblenden lässt, wenn das Auge Ruhe findet. Und die gibt es hier oben reichlich an diesem Herbstnachmittag. Die Sonne ist gnädig, mild beinahe. Sie erhitzt nicht mehr so spät im Jahr. Sie schmeichelt der Haut und gibt ihr das Gefühl, als werde sie mit warmem Honig eingerieben.

Unten auf der Wiese spielen zwei Buben Fußball. Hin und her und her und hin und dann wieder her. Unermüdlich. Von links nach rechts gleitet ein Radfahrer über den fein geschwungenen Weg, beinahe lautlos. Dafür sind deutlich die Schritte einer Frau zu hören. Sie knirschen sich durch den Sand, denn die Frau scheint nicht ganz freiwillig unterwegs. Sie lässt sich von einem Hund ziehen. Doch, doch, der Hund zieht. Die Frage, wer hier wen ausführt, ist leicht zu beantworten. Manchmal lässt der Mensch halt Fünfe gerade sein und gibt sich hin, weil der Tag gerade so perfekt scheint.

Wie sollte man sich auch nicht hingeben. Hier oben, wo zehn Bänke stehen, die in diesem Moment alle Sonnenbänke sind. Die Besetzer halten ihr Gesichter nach Südwesten, aber sie verharren immer nur eine Weile an diesem ach so bekannten und doch lange aus dem Bewusstsein gedrängten Platz.

Das Bewusstsein, dass es einen Napoleonsberg gibt, war immer da. Aber trotzdem verging so viel Zeit ohne dieses relative Oben, verrannen so viele Tage ohne diesen beruhigenden Blick hinunter ins Tal, wobei Tal natürlich ebenso euphemistisch gemeint ist wie Berg.

Niemand ist zufällig hier. Kein Weg führt hier durch. Der Napoleonsberg liegt auf keiner Strecke von A nach B. Er ist ein eigenes Ziel. Die Beiläufigen sind unten im Tal. Sie hetzen ein bisschen, sie eilen, sie lassen sich ziehen. Aber nicht hier oben, wo man mit ein bisschen Ruhe spüren kann, wie die Sonne wandert. Eben packen die Buben ihren Fußball ein, weil der Schatten ihre Spielwiese übernimmt. Sie ziehen sich zurück auf ihre Picknickdecke und diese ins Restlicht. In einer Ecke der weiter gnädig beschienenen Erhebung steht eine grüne Frau, ganz nackt und ohne Arme. „Harmonie“ heißt die Skulptur, der jemand eine Kette mit zwei winzigen Perlen umgelegt hat. Eine Perle ist rot, eine gelb. Herbstfarben für Harmonie. Man kleidet sich der Jahreszeit angemessen.

Unterhalb der Grünen ist eine Inschrift zu lesen. „Gewidmet Heinrich Heine“ steht dort. Und an der Seite findet sich noch etwas Poetisches eingraviert in den Stein. Da steht: „Das sichtbare Werk spricht harmonisch den unsichtbaren Gedanken aus. Daher ist auch Lebekunst die Harmonie des Handelns und unserer Gesinnung.“ Das ist doch mal ein Wort, das an diesem Tag ganz besonders gut passt: Lebekunst. Im Hofgarten. An einem Mittwochnachmittag.

Schon ist zu spüren, dass die Temperaturen bald empfindlich fallen werden. Ganz Empfindliche könnten vielleicht schon den Winter riechen. Aber jetzt ist noch ein bisschen Spätsonne, die dem bereits reichlich gefallenen Laub lange Schatten gibt und gleichzeitig das verdorrte Blattwerk zauberhaft färbt. Herbstferien daheim. Vor der Tür. Nur ein paar Schritte entfernt von den normalen Wegen. War Düsseldorf jemals schöner als gerade jetzt?