Ostern im Seniorenheim Frau Volckmann ist nicht traurig
Düsseldorf · Sich von Corona unterkriegen lassen? Das liegt der 82-Jährigen fern. Sie freut sich auf die Feiertage und schwelgt in Erinnerungen.
Das Tütchen mit der Schokolade ist längst geplündert. Nun wartet Karin-Ursula Volckmann auf Nachschub von ihrer Tochter. Lange wird sie darauf nicht warten müssen. „Sie wohnt in der Nähe und kommt oft vorbei. Dann stellt sie mir kleine Überraschungen vor das Haus und winkt aus der Ferne“, sagt sie. „Dann sieht man sich zumindest mal.“
Die 82-Jährige ist eine von 148 Senioren, die im Stammhaus Kaiserswerth der Diakonie Düsseldorf zurzeit keinen Besuch empfangen dürfen. Gerade an Feiertagen eine ungewohnte Situation, mit der die kernige Hamburgerin aber durchaus pragmatisch umgeht. „Was nützt es? Es ist, wie es ist“, sagt sie. Mit Rührseligkeit oder gar Sorgen will sie sich nicht belasten. „Es hilft jetzt auch nicht, sich verrückt zu machen. Man muss einfach abwarten. Und es nehmen, wie es kommt.“
Auch Gedanken an vergangene Ostertage lassen keine Trauer hochkommen. Im Gegenteil. Volckmann schwelgt gerne in Erinnerungen. Als Kind erlebte sie die Feiertage in Hamburg-Volksdorf. „Wir hatten ein wunderschönes Haus, 4000 Quadratmeter groß war das Grundstück“, schwärmt sie. Im Garten wuchsen Johannisbeeren neben dem Spargel, jedes Familienmitglied hatte seinen eigenen Kirschbaum. „Im Garten war ein Stall mit Hühnern. Und wir hatten einen bissigen Hund, den meine Mutter immer von ihnen fernhalten musste. Und vom Postboten“, sagt sie und lacht auf. „Wir hatten ein gutes Leben. Mein Vater war Zahnarzt. Als seine Praxis im Krieg zerstört worden war, stellte er den Zahnarztstuhl in das Esszimmer und behandelte dort seine Patienten.“
Später habe sie im Haus selbst die Festtage organisiert. Einen riesigen Topf Erbsensuppe gab es. Tage vor Ostern wurden Hölzer für das Osterfeuer gesammelt, das dann Karsamstag im Garten entzündet wurde. „Es gab einen Nachbarn, der wollte das nicht und löschte das Feuer mit seinem Gartenschlauch“, erinnert sie sich. Das habe er sich aber nur einmal gewagt „Der wurde von einigen jungen Männern aus der Nachbarschaft verdroschen.“ Es sind Anekdoten wie diese, über die sich die Seniorin noch heute köstlich amüsieren kann. Ihr norddeutscher Dialekt ist dabei unverkennbar. „Ja, Hamburgerin bin ich. Durch und durch.“ 13 Mal sei sie umgezogen, bevor sie vor zwei Jahren schließlich ihrer Tochter nach Düsseldorf folgte. „Was soll ich in Hamburg, wenn meine Tochter in Düsseldorf ist?“, sagt sie. „Und ich bin alt genug, um hier zu sein.“ Sie meint das Seniorenheim.
Die Ostertage verbrachte sie stets im Kreise ihrer Familie. „Es war immer sehr festlich. Mit weißer Tischdecke und weißem Geschirr“, schwärmt sie. „Meine Tochter kann gut kochen, meine Enkelin mit ihren 14 Jahren auch. Und noch besser backen.“ Dass die Seniorin dieses Jahr nicht an der Familientafel Platz nehmen wird, bedauert sie, fügt aber sofort hinzu: „Die Schwestern hier geben sich so viel Mühe und lassen sich zu allen Feiertagen immer tolle Sachen einfallen. Da muss man sich einfach wohl fühlen.“
Nicht alle Bewohner können mit der Kontaktsperre so gut umgehen wie Karin-Ursula Volckmann. Viele Senioren leiden unter der Situation, dass die Besuche, die Umarmungen ausbleiben. „Nun sind wir gefragt. Mehr denn je“, sagt die Leiterin des sozialen Dienstes, Nina Hundert. Um die Bewohner auf andere Gedanken zu bringen, hat sich das Pflegepersonal jede Menge Aktionen für die Ostertage überlegt. Der komplette Innenhof wird geschmückt sein – mit Eiern, die von Angehörigen abgegeben wurden. Auch die Nachbarn des Seniorenheims haben sich an einer Osteraktion beteiligt: Jeden Tag erhalten die Bewohner von ihnen gestaltete Ostergrüße, Postkarten, gemalte Bilder und Briefe. Und natürlich gibt es wieder reichlich zu essen an der feierlich gedeckten Tafel.
Um den visuellen Kontakt zu den Angehörigen aufrechtzuerhalten, nutzen die Mitarbeiter die digitalen Möglichkeiten. Sie helfen den Senioren dabei, Sohn oder Enkelin an Ostern per Videoanruf zuzuschalten. Für Karin-Ursula Volckmann ist das nichts. „Ich weiß nicht mal, wie das geschrieben wird“, sagt sie und winkt ab. Sie warte lieber, bis ihre Tochter das nächste Tütchen vor dem Eingang des Heimes ablegt. Und sie ihr aus der Ferne zuwinken kann.