Ausgewandert Käsekuchenqueen: Ausgangssperre und Homeschooling
Düsseldorf · 2019 buk Mandy Laurie noch Möhren-Käsekuchen für die WZ-Leser, jetzt lebt sie mit Familie an der Côte d‘Azur.
Es knackt in der Telefonleitung. Hündin Laika wird von der Terrasse ins Haus gescheucht. Für die Golden-Retriever-Seniorin ist es heute eindeutig zu heiß unter der Sonne Saint-Raphaëls. Mandy Laurie lacht und verstellt ihre Stimme auf hochnäsig: „Hier an der Côte d‘Azur ist es nämlich eine unglaubliche Hitze.“
Vor einem Jahr stand die 34-Jährige noch in ihrer eigenen Backstube, verkaufte ihre selbstkreierten Käsekuchen, mit denen sie sich als „Käsekuchenqueen“ in Düsseldorf schnell einen Namen gemacht hatte. Jeden Sonntag beim Backstubenverkauf an der Schlesischen Straße in Lierenfeld standen die Kunden Schlange. „Ich lebte meinen Selbstständigkeitstraum. Damals hätte ich mir nicht vorstellen können, das aufzugeben“, sagt sie.
Besonders vor Ostern hatte Laurie immer gut zu tun. Ihre Käsekuchen waren heiß begehrt. Es gab sie in vielen verschiedenen Varianten, mit Oreo-Keks-Boden und Himbeeren als Topping, Mousse au Chocolat, Birne-Milchreis oder die amerikanische Variante mit Erdnuss-Karamell-Überzug. Selbst Herzhaftes machte Laurie aus ihrer Käsekuchenbasis - mit Lachs und Dill oder Thunfisch und Olive. Und natürlich durfte an Ostern auch die Möhrenvariante nicht fehlen.
Die Entscheidung, ihren Laden aufzugeben und nach Frankreich, in die Heimat ihres Mannes, auszuwandern, hatte sich Laurie nicht leicht gemacht. „Die Eltern meines Mannes brauchten Hilfe, und die Familie hält zusammen“, sagt sie. Damit war schlussendlich jedes Gegenargument entkräftet. Seit Anfang des Jahres wohnen die fünf Lauries, Mandy, Ehemann David, die Töchter Evey und Leny und Hund Laika nun im verträumten Hafenstädtchen Saint-Raphaël nahe Cannes. „Es ist hier sehr dörflich. Es gibt keine direkten Nachbarn, und auch der Supermarkt ist so weit entfernt, dass man ein Auto braucht“, erzählt Mandy Laurie.
Eine riesige Umstellung zu ihrem Leben an der Geibelstraße in Mörsenbroich, mit engem Kontakt zu den anderen Mietern im Mehrfamilienhaus, Einkaufsmöglichkeiten, Schule und Kindergarten gleich um die Ecke. „Ich habe schnell gemerkt, dass es gar nicht viel braucht, um glücklich zu sein“, sagt Laurie. „Dass ich die Großstadthektik gar nicht brauche.“
Sie genoss die Ruhe, die intensive Zeit mit den Kindern, mit der Familie. „Die war vorher wirklich zu kurz gekommen. Ich stand ja nicht nur unter der Woche in der Backstube für die bestellten Kuchen, sondern auch samstags und sonntags.“
Französisch lernen in der Sonne, stundenlange Spaziergänge am Strand und in der Berglandschaft – die ersten Wochen in Frankreich fühlten sich wie Urlaub an. Doch dann überschlugen sich auch in Frankreich die Corona-Meldungen, das öffentliche Leben kam zum Erliegen. „Nous sommes en guerre“– wir sind im Krieg – Präsident Emmanuel Macron fand in seiner Ansprache am 12. März deutliche Worte. „Ich hatte Corona vorher überhaupt nicht ernst genommen. Bei dieser Ansprache machte es auch bei mir Klick“, erinnert sich Laurie. Seit dem 17. März gilt landesweit die Ausgangssperre: Nur in unbedingt notwendigen Fällen ist das Verlassen der eigenen Wohnung erlaubt. „Eine Stunde am Tag darf man sich draußen körperlich betätigen, allerdings nur im Umkreis von einem Kilometer von der Wohnung entfernt“, erzählt Laurie.
Für „draußen“ braucht man eine Ausnahmegenehmigung
Einkaufen oder Familienangehörigen etwas bringen, zum Arzt oder zur Arbeit dürfe man. „Man muss aber immer eine Ausgehbescheinigung dabei haben, die man bei einer Kontrolle vorzeigen muss. Die füllt man aus, bevor man rausgeht.“ Erst vor wenigen Tagen ist Ehemann David auf dem Weg zu seinem Vater kontrolliert worden. „Die Kontrollen sind streng“, erzählt Laurie. Bußgelder von bis zu 350 Euro sind bei Verstößen möglich. Auch Strände und Wanderwege sind abgesperrt. „Wenn doch jemand ins Meer steigt, kommen Drohnen angeflogen.“ In den Supermärkten sei es hingegen etwas entspannter als in Deutschland. „Bisher konnte ich keine Hamsterkäufe feststellen. Mal kommt es vor, dass Mehl oder Nudeln aus sind, aber leere Regalreihen wie in Deutschland gibt es hier bei uns nicht.“
Anfangs konnte Tochter Evey (9) der Ausgangssperre etwas Gutes abgewinnen: dass sie nicht zur Schule muss. „Sie litt am Anfang sehr unter dem Umzug. Jeden Morgen hat sie behauptet, sie sei krank, um nicht zur Schule zu müssen. Sie vermisste ihre Freundinnen in Düsseldorf sehr.“ Mittlerweile ist aber sogar sie der Meinung, dass der Unterricht außerhalb der Wohnung gar nicht so schlecht ist. „Das Homeschooling bringt uns echt an unsere Grenzen“, sagt Laurie und stöhnt. Die Töchter gingen schon in Düsseldorf auf die französische Schule, nun sei das Lernniveau im Ausland noch etwas angehoben worden. „Evey sitzt jeden Tag zwischen 8.30 und 15 Uhr an ihren Aufgaben, um mit dem Stoff durchzukommen.“
Seit die Käsekuchenqueen nicht mehr in der Backstube steht, wird nun zu Hause gekocht. „Ich vermisse das Backen sehr. Vor allem das direkte, ehrliche Feedback der Kunden.“ Auf ihrem Instagramkanal (kaesekuchenqueen) ist sie weiterhin aktiv, zeigt schnelle, gesunde Alltagsgerichte, backt aber auch. Zuletzt verriet sie das Rezept ihres veganen Käsekuchens, ganz bewusst aber nicht das der klassischen Variante. Denn die Käsekuchenqueen plant, ein Backbuch herauszubringen. „Eigentlich wollte ich hier einen Laden aufmachen, aber ich werde erst mal sehen, wie sich alles nach Corona entwickelt.“ Für das Ladenlokal an der Schlesischen Straße hat sie auch einen Nachfolger gefunden. Die Pâtisserie Barré wird vorbehaltlich der Corona-Entwicklung am 26. April öffnen. „Eine französische Konditorei. Besser hätte es nicht passen können“, sagt Laurie.