Düsseldorf im Kaufrausch: Die Lust am Schlange stehen
Von Saturn bis Abercrombie: Hunderte stehen sich vor den Türen die Beine in den Bauch. Ziel: Geldausgeben und glücklich sein.
Düsseldorf. Die gesamte Stadt steht Kopf, oder besser gesagt Schlange. Was an der Supermarktkasse spätestens nach fünf Minuten für nervöses Zappeln sorgt, wird in Düsseldorf in jüngster Zeit zelebriert.
Schon in den frühen Morgenstunden reihen sich Menschen vor H&M, Sevens, Fortuna-Geschäftsstelle und am Donnerstag vor Abercrombie & Fitch auf. Als ob es morgen keine Fernseher, Pullis oder Fußballspiele mehr geben würde. Zumal die Dauerkarten-Besitzer eine Woche lang ihr Ticket eintauschen konnten, es bei Abercrombie in ein paar Tagen viel ruhiger wird, und Schnäppchen sowieso immer und überall zu machen sind.
Man stellt sich trotzdem an. Es wird gesungen (Fortuna) und sich mit dem Handy fotografiert (Abercrombie). Schlange stehen als Event. Man lernt sich kennen. Man hat etwas gemeinsam, vor allem Gesprächsstoff. Und alle haben das gleiche Ziel: Geldausgeben für ein Glücksversprechen.
Während den Kirchen die Gläubigen scharenweise weglaufen, treffen sich die Gemeinden vor dem nächsten Konsumtempel. Und dort wird von einem Abercrombie-T-Shirt weit mehr erwartet, als nur zu wärmen. Das iPhone ist das Paradebeispiel für ein Fetischprodukt, das mit mehr Bedeutung aufgeladen wird, als Nutzen in ihm steckt.
„Konsumieren bedeutet zudem in vielen Fällen soziale Integration“, sagt Peter H. Hartmann, Universitätsprofessor für Soziologie an der Heine-Uni. Mit anderen Worten: Ich kaufe, was ich sein will. Marken wie Apple würden laut Hartmann als begehrenswert präsentiert und hätten einen Hype erzeugt, der Mitläufereffekte verursache. Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe laufe zum Beispiel in der Schule noch mehr über bestimmte Labels.
Bei Abercrombie komme hinzu, dass die Schlange künstlich aufrecht erhalten werde. „Die Produkte werden als knapp wahrgenommen und so mit besonderem Prestige verbunden“, sagt Hartmann. Dieser Mechanismus lässt sich leicht auf die Schnäppchenjagd bei der Wiedereröffnung von Saturn an der Kö übertragen.
Und noch einen Effekt zögen diese Schlangen nach sich. „Wer eine durchlebt hat, erinnert sich besser an seinen Einkauf“, sagt Hartmann. Und die hinter sich gebrachten Mühen führten zu einer engeren Bindung ans Produkt.
Und solange das funktioniert, gilt bis auf weiteres das Prinzip: Nach der Schlange ist vor der Schlange. Zum Beispiel vor dem neuen Apple-Store, der wohl in den Kö-Bogen zieht oder bei Primark, die Anfang 2013 an der Schadowstraße eröffnen wollen. Bei einer Shop-Eröffnung in Hannover wurde das irische Modehaus kürzlich von 5 000 Kunden gestürmt.