Wohnungslosigkeit in Düsseldorf „Wir suchen verstärkt nach weiteren Unterkünften“

Düsseldorf · Auswirkungen der hohen Obdachlosenzahlen auf die Sozialpolitik und was Experten fordern.

Seit 2011 hilft der GuteNachtBus mit Essen, Getränken, Kleidung und Decken, aber auch bei Notfällen.

Foto: Anne Orthen (orth)

In dieser Woche sind die Ergebnisse der jüngsten Nachtzählung von Obdachlosen im Oktober 2023 in Düsseldorf veröffentlicht worden: Waren es 2021 noch 459 Menschen, ist die Zahl inzwischen um knapp 60 Prozent auf 729 gestiegen. Sowohl für die Hilfsorganisationen als auch die Politik sind die hohen Zahlen ein Alarmzeichen. Die einhellige Meinung: Es muss noch mehr bei der Bekämpfung und Prävention getan werden.

Miriam Koch, Dezernentin für Kultur und Integration, erklärt, dass derzeit eine intensive Akquise für neue Unterkünfte für Geflüchtete und Wohnungslose vorangetrieben werde. „Im letzten Quartal 2023 konnten wir drei Objekte beschließen, für sieben weitere laufen derzeit Verhandlungen.“ Hier sollen – nicht gemischt wohlgemerkt – sowohl ukrainische Kriegsgeflüchtete als auch Wohnungslose und weitere Geflüchtete unterkommen. Zudem habe man im Dezember den Ausbau der Notschlafstelle der Franz-Freunde an der Graf-Adolf-Straße zu einem zusätzlichen Tagesaufenthalt beschlossen und stellt dafür rund 700 000 Euro zur Verfügung.

Auch der Anfang März gestartete Betrieb der neuen Unterkunft speziell für suchterkrankte Wohnungslose an der Moskauer Straße sei gut angelaufen. „Wir müssen dort zwar schon im Herbst wieder aufhören, wollen die Zeit aber nutzen, um das Konzept gemeinsam weiterzuentwickeln und parallel suchen wir intensiv nach Alternativ-Standorten.“ Dass dieses Projekt weitergeführt werden muss, sei aber schon jetzt sicher, so Koch.

Sowohl in der Politik als auch bei den beteiligten Hilfsorganisationen stößt die Moskauer Straße auf breite Zustimmung. Christine Rachner (FDP) lobt die Zusammenarbeit mit den Trägern und die unbürokratische Umsetzung der zuständigen Ämter. Für die Zukunft sieht sie vor allem weiteres Potenzial im Housing-First-Projekt. „Fifty-Fifty leistet dort tolle Arbeit, es ist ein guter und liberaler Ansatz. Aber wir sehen auch, wie schwer es ist, an geeigneten Wohnraum und Spenden zu kommen, deshalb sollte dort eine engere Zusammenarbeit in Betracht gezogen werden“, so Rachner.

Oliver Ongaro, Streetworker bei Fifty-Fifty, glaubt, dass die Zahl an Wohnungslosen durchaus noch höher sei. „Es ist schwierig, wirklich alle zu erfassen – viele wollen auch gar nicht gefunden werden.“

Gerade für suchterkrankte Wohnungslose fordert Andreas-Paul Stieber (CDU) eine besondere Betreuung. „Wir müssen auch den ordnungspolitischen Aspekt im Auge behalten.“ Allgemein, so Stieber weiter, sehe er die Bemühungen der Politik und der Stadt positiv. „Wir sind da wirklich aufmerksam und haben das fest auf dem sozialpolitischen Radar.“

Allerdings fordern viele Streetworker seit einiger Zeit auch neue, alternative Plätze für Wohnungslose. Am Worringer Platz komme es vermehrt zu Konflikten – die auch durch neue Verteilungen und eine höhere Zahl an Betroffenen entstünden. Hinzu kamen vermehrte Einsätze des Ordnungsdienstes an dem Treffpunkt. Im vergangenen August hatte sich Marko Siegesmund (SPD) an dieser Stelle für Lösungen und „gegen die Vertreibungspolitik von Schwarz-Grün“ ausgesprochen. Bislang wurden dennoch keine neuen Plätze identifiziert, die die Lage entzerren könnten.

Christoph Gilles erforscht als Professor an der Hochschule Düsseldorf Armut und Wohnungslosigkeit und verweist – ebenso wie viele andere – auf den Faktor Wohnungsmarkt. „Der Druck ist enorm. Wohnraum muss als Grundrecht und nicht als Ware angesehen werden.“ Er fordert daher auch mehr Hilfe bei der Prävention und gerade im städtischen Wohnungsbau Belegquoten, die wiederum CDU und FDP ablehnen. Oliver Targas von der Diakonie Düsseldorf unterstreicht, dass aus den Zahlen keine falschen Rückschlüsse gezogen werden sollten: „Die Angebote, die wir haben, sind gut, aber sie müssen weiter ausgebaut und ergänzt werden, wie etwa mit dem Projekt an der Moskauer Straße. Einsparungen würden die Lage nur weiter verschärfen.“