Düsseldorf Wie aus einem Handwerker ein Bankräuber wurde
Düsseldorf · Unserem Autor hat der (bis jetzt) letzte Bankräuber Düsseldorfs erklärt, warum er mit einer Spielzeugpistole mehr als 16.000 Euro erbeutete. Und wie seine Festnahme ihm möglicherweise das Leben rettete.
Wenn früher ein Polizeihubschrauber über der Stadt kreiste, wurde oft nach Bankräubern gefahndet. Allein 2003 wurden 14 Sparkassenfilialen und Banken überfallen. In diesem und im vergangenen Jahr gab es nicht einen einzigen Fall, wie die Polizei auf Anfrage unserer Redaktion sagt. Und 2017 habe es sehr wahrscheinlich auch keinen gegeben. Ganz sicher ist die Polizei nicht, aber der bis dato letzte Bankräuber Düsseldorfs war wohl Benjamin C. (Name geändert).
Er überfiel vor drei Jahren gleich zweimal die Sparkassenfiliale an der Brunnenstraße. Dafür wurde er zu vier Jahren Haft verurteilt. Der WZ schildert der 51-Jährige, was ihn zu der Tat getrieben hat, warum Bankraub sich nicht lohnt – und warum der Überfall vermutlich sein Leben gerettet hat.
Wie kommt man auf die Idee, eine Bank zu überfallen? „Ich war damals völlig verzweifelt. Bis dahin war Fahren ohne Gurt das Schlimmste, was ich gemacht hatte“, erzählt der Handwerker. Doch Benjamin C. war spielsüchtig, hatte bei einer Bank 70 000 Euro Schulden und konnte seine Miete nicht mehr bezahlen: „Für meine Familie und meine Freunde führte ich ein ganz normales Leben. Die ahnten nichts“. Als er kurz davor war, seine Wohnung zu verlieren, erinnerte sich der Handwerker an die Sparkassenfiliale an der Brunnenstraße, wo er früher selbst Kunde war: „Ich wusste, dass da das Geld offen auf dem Schalter herumliegt.“
Maskiert und mit einer Spielzeugpistole („Sogar das Magazin mit den Plastikkügelchen hatte ich herausgenommen“) marschierte er dorthin. Es dauerte ganze 57 Sekunden, bis Benjamin C. wieder draußen war. Mit 16 500 Euro in der Tasche: „Das reichte aber nur für ein halbes Jahr.“ Ende Oktober 2016 herrschte wieder Ebbe in der Kasse. Wieder stand Benjamin C. mit seiner Spielzeugpistole am Schalter der Sparkasse Brunnenstraße: „Ich wollte wieder ganz schnell machen. Aber da war ein Kunde vor mir. Ich habe mich dann vorgedrängt.“
Den Kunden beachtete der 51-Jährige nicht weiter. Und bekam auch nicht mit, dass der Mann die Polizei alarmierte. Zwar konnte Benjamin C. die Filiale noch mit über 30 000 Euro verlassen, wurde aber kurz danach gefasst. „Das war mein großes Glück. Ich hätte sonst wahrscheinlich weiter gemacht“, sagt er heute.
Der Gefängnisarzt entdeckte eine gefährliche Krebserkrankung
Wahrscheinlich habe ihm der Überfall sogar das Leben gerettet. „Als ich im Gefängnis ankam, war an dem Tag zufällig der Hautarzt da. Der entdeckte auf meinem Rücken einen schwarzen Fleck, den ich selbst wohl nie gesehen hätte“, erzählt der Handwerker, der seit 15 Monaten im offenen Vollzug ist. Wie sich herausstellte, war es ein Melanom. Hätte der Krebs gestreut, wäre Benjamin C. vermutlich tot. Stattdessen hat er zurück ins Leben gefunden.
In Moers traf sich Benjamin C. zum Essen mit Helge Achenbach
Im Gefängnis hatte der Handwerker nicht nur Zeit zum Nachdenken: „Ich habe auch Leute getroffen, die ich sonst nie kennen gelernt hätte.“ Zum Beispiel Ferdinand Tiggemann, den ehemalige Chef des Landesbau-Betriebs, der zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt und noch im Gerichtssaal verhaftet wurde: „Der kam in seinem dunklen Anzug und mit Rollkoffer im Gefängnis an. Mit ihm hatte ich meinen ersten Umschluss.“ Zum Essen traf sich der 51-Jährige in Moers im offenen Vollzug manchmal mit Kunstberater Helge Achenbach.
Wegen guter Führung darf der „Knacki“ seit 15 Monaten die Haftanstalt verlassen und wieder Geld verdienen. Sein Arbeitgeber hat den Handwerker sofort wieder eingestellt. Vom Black Jack im Internet lässt Benjamin C. die Finger: „Und ich treffe mich regelmäßig in einer Selbsthilfegruppe für Spielsüchtige.“ Sein Rechtsanwalt Martin Lauppe-Assmann kümmerte sich auch nach dem Strafprozess um seinen Mandanten, der seinen Schuldenberg weitgehend los ist. Am 1. Mai folgt der nächste große Schritt: „Da beziehe ich wieder eine eigene Wohnung.“
Beim Bankraub hat die
Prävention Wirkung gezeigt
Dass das Phänomen Bankraub allenfalls noch Drehbuchautoren des Tatorts beschäftigt, zeigt vor allem eins: Mit Prävention kann man schwere Straftaten verhindern. „Die Täter wissen, dass es sich einfach nicht mehr lohnt“, sagt Gerd Meyer, „sie haben längst entdeckt, dass andere Straftaten viel lukrativer sind.“ Summen, wie sie mit Internet-Manipulationen oder Trickbetrügereien als „falsche Polizisten“ erbeutet werden, sind bei einem Bankraub illusorisch.
Dafür habe man viel getan. Meyer: „Es gibt in den Filialen keine hohen Bargeldbeträge. Des Weiteren können die Kassierer nicht mehr einfach auf den Knopf drücken und die Kasse öffnen. Das Signal muss immer vom Kunden ausgehen.“ Wenn ein Kunde hohe Summen abholen wolle, müsse er das vorher anmelden. Außerdem spiele eine Rolle, dass sich die meisten Sparkassenfilialen inzwischen im innerstädtischen Bereich befinden: „Da sind viele Menschen unterwegs. Auch das kann Täter abschrecken.“ Die hatten sich früher oft Geschäftsstellen in den Außenbezirken ausgesucht, weil dort die Polizei nicht so schnell auftaucht. Außer mit dem Hubschrauber, der jetzt öfter mal Pause hat.