Düsseldorfer Asphalt-Festival: Ist Pussy Riot tot?

„Pussy Riot Theatre“ rund um die Aktivistin Maria Alekhina trat beim Asphalt-Festival auf. Der Versuch: Die Adaption ihres Buches „Riot Days“.

Foto: Ralf Puder

Düsseldorf. Zu dem diesjährigen Thema des Asphalt-Festivals „Crossing borders“ (Grenzen überschreiten) scheint ein Auftritt von Pussy Riot bestens zu passen. Mit ihren politisch motivierten provokanten Aktionen haben Pussy Riot in der Tat Grenzen überschritten, um auf Missstände in der russischen Gesellschaft und Politik lautstark aufmerksam zu machen. Doch gibt es die russische Punk-Formation, die durch Inhaftierung mehrerer Mitglieder nach einer Performance in der Christ-Erlöser-Kathedrale im Jahr 2012 weltweit für große Aufmerksamkeit sorgte, überhaupt noch? Will man dem Statement auf der Blogseite der Gruppe - die übrigens auch auf der Website des Festivals verlinkt ist - folgen, so ist Pussy Riot tot: „Pussy Riot is dead“.

Und in der Tat ist der dadurch evozierte Diskurs legitim. Einzelne prominente (ehemalige?) Mitglieder stehen aber weiterhin mit ihren Projekten im Fokus der Öffentlichkeit. So auch Maria Alekhina, die ihre Erlebnisse rund um die Aktionen und der darauffolgenden Verhaftung und Internierung in ihrem Punk-Manifest „Riot Days“ festgehalten hat. Gemeinsam mit dem Produzenten Alexander Cheparukhin entstand aus dem Material ihres Buches eine vor Aggression überbordende theatralische Performance gleichen Namens. Mit der geht sie nun umrahmt von Nastya Awott (ebenfalls ehemaliges Pussy Riot Mitglied) und zwei Männern! - Max Awott und Kiryl Masheka - auf Tour. Besuchte nun auch das Asphalt Festival. Doch ist „Pussy Riot Theatre“, so nennt sich die Truppe, deckungsgleich mit „Pussy Riot“?

Fraglich bleibt ohnehin, ob eine anarchistisch agierende Gruppierung, bei deren Aktionen, das Überraschungsmoment, das Unvorhergesehene, das in die öffentliche Ordnung einbrechende maßgebliche Paradigmen waren als „Theater“, als eine durchinszenierte „Aufführung“ im Kulturbetrieb, funktionieren kann. Teil der Pussy-Riot-identität waren die knall-bunten gestrickten Hauben, mit denen sich die Aktivistinnen anonymisierten. Doch ist diese Zeit längst vorbei, werden sie zwar auch an geeigneter Stelle Teil der Performance auf der Bühne. Inzwischen zeigt man sich offen, ist zu einer weltweit agierenden Marke geworden. Einer Marke, die weiterhin Punk als Mittel zur politischen Intervention nutzen will. Punk als Mittel? Darf man mit Auftritten als „Pussy Riot“ Geld verdienen? In einem Gespräch mit der Sunday Times betonte Alekhina, dass ihre Einnahmen in die Medianplattform MediaZona fließen würden. So verwehre sie sich dem Vorwurf einer Kommerzialisierung zugunsten der eigenen Karriere.

Ganz ungefährlich ist das Leben der Aktivistin aber auch heute nicht. So musste sie von Cheparukhin aus Russland über verschlungene Wege nach Deutschland geschmuggelt werden, da sie zurzeit aufgrund von Projekten wieder in die Fänge der russischen Justiz geraten sei, erklärte der Produzent in seiner Ansprache vor der Show. Zudem warnte er das Publikum, es könnte auf eine Art während der Performance in Mitleidenschaft gezogen werden. Indes ist es kein Geheimnis mehr, dass während der perfekt durchchoreografierten Show, die neben harter Klangkunst und Videomaterial vor allem lauthals geschriene Statements aus Alekhinas Buch zu einer aggressiven Dauerbeschallung verdichtet, Kiryl Masheka Wasserflaschen auf das Publikum wirft. Inwieweit, neben harten elektrischen Klängen, gewürzt mit Schlagzeug und Saxophon und agitiertem Skandieren das Nassspritzen von Zuschauern die Situation in Russland verbessert, sei allerdings dem Geschmack jedes Einzelnen überlassen.

Was allerdings keine Geschmackssache ist, ist die Geschichte, die in den zusammengestellten Fragmenten erzählt wird. Eine Geschichte um junge Menschen die sich aus tiefster Überzeugung gegen Putin und das russische Gesellschaftssystem auflehnten. Ob aber „Pussy Riot Theatre“ in der Form wie sie das Düsseldorfer Publikum im Weltkunstzimmer erleben durfte noch die Seele der ursprünglichen Gruppe in sich trägt, bleibt zumindest fraglich.