Herr Horn, andere Bands nehmen ein Coveralben auf und bekommen das um die Ohren gehauen. Sie machen es zum zweiten Mal. Callejon scheinen eine mutige Band zu sein
Musik Callejon: „Rap ist spontaner als Metal“
Düsseldorf · Interview Die Düsseldorfer Band covert plötzlich Hip-Hop-Stücke. Gitarrist Bernhard Horn sagt, warum.
Tatsächlich: Düsseldorf kann nicht nur Electro (Kraftwerk), Rock (Die Toten Hosen) und Punk (Broilers). Es kann dank Callejon auch Metal. Und Callejon können jetzt irgendwie auch Rap. Denn ihr neues Album „Hartgeld im Club“ vereint 13 Stücke aus Rap-Gefilden, die durch einen Wirbel von krachenden Gitarren gedreht wurden. Gitarrist Bernhard Horn erklärt, wie er und seine Kollegen auf diese Idee kamen.
Bernhard Horn: Ja, vielen Dank, dass Sie das so sehen. Es gibt tatsächlich Menschen, die gesagt haben: „Boah, stinklangweilig. Was soll das denn wieder?“ Aber es macht uns einfach unheimlichen Spaß, Lieder zu covern. Vor allem Songs, die nicht so unglaublich naheliegend sind für unser Genre, den Metal. Songs, die ein wenig abstrus sind.
Die Unkenrufer könnten jetzt hervorkommen und sagen: „Die haben keine Ideen für eigene Songs mehr“.
Bernhard Horn: Ja, das ist auch ein bisschen so…
Wie bitte?
Bernhard Horn: (lacht) Nein! Spaß! Es ist ja so, dass wir vor unserem ersten Coveralbum nie gecovert haben. Normalerweise tun Bands das ja in ihrer Anfangsphase sehr ausgiebig und toben sich aus. Wir holen das eben jetzt nach. Nachdem wir einmal „Schrei nach Liebe“ von den Ärzten gespielt hatten, merkten wir: Das können wir. Am Ende stand 2013 die Platte „Man spricht Deutsch“. Und jetzt wiederholen wir das nochmal.
Aber nicht mit deutschsprachigen Rockliedern, sondern mit deutschsprachigen Rapsongs. Wie kommt das?
Bernhard Horn: Unser Sänger Basti stand im Sommer irgendwo am Straßenrand in Düsseldorf und sah ein Auto vorbeifahren, aus dem ziemlich laut „Palmen aus Plastik“ von Bonez MC und RAF Camora bollerte. Diesen Song, den wir dann auch auf unser Album draufpackten, hatte er nie auf dem Schirm gehabt. Keiner von uns. Aber er sagt, dass er in diesem Moment erkannt habe, warum die Leute den Song so abfeiern. Und dass er versetzt mit Metal bestimmt richtig gut kommen würde. Das war der Beginn.
Wie schwer ist es, Rap-Songs in Metal zu überführen?
Bernhard Horn: Es ist einerseits einfacher als das Schreiben von eigenen Songs, weil die Musik vorgegeben ist. Aber: Die Emotionalität in einem anderen Genre zu erhalten, das ist nicht so einfach. Das war eine Herausforderung.
Johnny Cash hat es auf seinen „American Recordings“ am Ende seiner Karriere geschafft, sich Stücke anderer Künstler sogar zu Eigen zu machen. Sie klingen besser als das Original. Ist das auch so ein Ziel von Ihnen – den anderen Künstlern die Stücke zu nehmen?
Bernhard Horn: Irgendwie schon. Das gehört dazu. Und viele Reaktionen der Fans sind auch: „Endlich klingt der Song mal geil. Endlich kann ich ihn mir mal anhören!“ Also haben jetzt ein paar Leute einen Grund und eine Entschuldigung, sich diese Stücke mal anzuhören. (lacht)
Das hört sich nach musikalischer Integrationsarbeit an.
Bernhard Horn: (lacht) Absolut! Wir sind die Integrationshelfer der Subgenres. Aber man darf ja nicht vergessen, dass Rap und Metal gar nicht so unterschiedlich sind. Da gibt es krasse Parallelen: Beide Subkulturen sehen sich als alternative Musikform zum Mainstream an und beanspruchen eine Außenseiterrolle für sich, eine Rolle als Sprachrohr für Jugendliche vor allem. Und: Bands wie Limp Bizkit, Anthrax, Beastie Boys haben ja mit diesem Crossover gearbeitet.
Die auf Metal gedrehten Rap-Songs auf der Platte sind quasi Hinhörer. Das Cover der Platte ist ein Hingucker: Ein Typ in Metalkutte küsste einen Typen in Rap-Klamotten.
Bernhard Horn: Ja. Wir wollten auf jeden Fall ein Cover-Artwork, das heraussticht und das Konzept des Albums möglichst auf den Punkt bringt. Erst dachten wir, wir nehmen einen Rapper mit einer Uzi und einen Metalhead mit einem Schwert, die aufeinander losgehen. Aber dann sagten wir uns, dass es ja darum geht, beide Seiten zusammenzubringen. Also kam die Idee mit den beiden Jungs auf, die sich küssen – auch weil beide Genres ja sehr krasse Vorstellungen von Männlichkeit transportieren. Der eine in der Kutte ist ein Schauspieler aus Berlin. Der andere ist ein Bekannter von uns, ein Clubbesitzer, der selber auch Rap-Musik auflegt. Es ist auf jeden Fall ein Cover, das man nicht jeden Tag im Plattenladen rumstehen sieht. Es spielt ein bisschen mit Klischees und bricht mit ihnen.
Ohne Klischees geht im Metal und im Rap ja auch nicht. Welche Klischees an beiden Genres mögen Sie eigentlich so gar nicht?
Bernhard Horn: Was ich im Metal ein wenig albern finde, ist, dass er sich oft als extrem dunkel und böse darstellt – und am Ende doch viel konservativer und traditioneller ist. Ich würde auch nicht mehr jedes Jahr für eine Woche nach Wacken fahren und mich dort betrinken. Ich kann verstehen, wenn jemand das macht. Aber für mich ist das nichts. Im Rap ist es dieses Klischee des: „Ich bin superreich, fahre im goldenen Ferrari durch die Gegend, deale mit Drogen und erschieße Leute mit meiner goldenen Knarre.“ Wenn es keinen anderen Inhalt gibt als diesen, dann wird es langweilig.
Was kann der Rap, das der Metal nicht kann?
Bernhard Horn: Was der Rap besser kann: Grenzen überschreiten. Das Motto ist: „Wir machen einfach mal und ruhen uns nicht nur auf alten Sachen aus.“ Im Metal wird viel reproduziert. Rap ist heutzutage spontaner. Innovativer.