Fachkräfteoffensive: Senioren im Schneckentempo auf dem Vormarsch
Von der positiven Entwicklung profitieren die über 50-Jährigen bislang nicht. Arbeitgeber in den Betrieben hoffen immer noch auf jüngere Jahrgänge.
Düsseldorf. Die Altersgruppe 55+ ist das Potenzial schlechthin, um dem Fachkräftemangel in Deutschland zu begegnen. Das zumindest ist die Kernbotschaft des Portals zur Fachkräfteoffensive. Doch diese Prophezeiung der Bundesregierung in Hochglanzbroschüren und im Internet ist in Düsseldorf noch nicht angekommen. „Die Beschäftigungsquote ist permanent gestiegen. Aber von der positiven Marktentwicklung haben die Älteren bislang nicht profitiert“, sagt Peter Jäger, Chef der Düsseldorfer Arbeitsagentur.
Zu beobachten sei allerdings, dass die Älteren in den Unternehmen „gehalten“ werden. Bei der Neueinstellung von Menschen, die jenseits der 50 Jahre sind, tun sich Personalabteilungen und Geschäftsführer allerdings weiter schwer.
Ursache ist laut Jäger, dass viele Unternehmer weiterhin von Vorurteilen geprägt sind. Frei nach einem gesellschaftlich verordneten Jugendwahn: „Die jüngeren Angestellten sind die besseren.“ Gedacht werde, dass Ältere weniger leistungsstark und flexibel sind. Zwar sind nach einer Untersuchung des Bundesverbands der Betriebskrankenkassen (BKK) tatsächlich höhere Krankenstände bei den über 55-Jährigen zu verzeichnen, doch dies besonders auffällig bei den körperlich anstrengenden Berufen. Umgekehrt führt laut BKK bereits bei vielen jungen Erwerbstätigen ein schmerzender Rücken zu Arbeitsausfällen — dem Treiber der Krankheitstage schlechthin. Schon bei den 35- bis 39-Jährigen bleiben im Jahr 2009 demnach 63 Prozent mehr als bei den 25- bis 29-Jährigen zu Hause.
Agenturchef Peter Jäger fehlt bei dieser Diskussion die andere Seite der Medaille, bei der ältere Arbeitnehmer mit Wissen, Routine und womöglich Ruhe punkten könnten. Suchende müssten dagegen lernen, ihre Gehaltsvorstellungen zu überprüfen.
Noch sei in Düsseldorf ein akuter Fachkräftemangel aufgrund einer demografischen Entwicklung nicht angekommen. Vielmehr handele es sich um konjunkturelle Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, die Einstellungen notwendig machten. Doch in einigen Jahren werde sich dies ändern. „Ich glaube, dass durch die demografische Entwicklung Betriebe gezwungen sein werden, stärker auf Ältere zu setzen.“ Profitieren würden aber davon — und das ist bei den Jüngeren nicht anders — insbesondere gut ausgebildete Kräfte.
Dennoch müssten die Unternehmen jetzt ihre Hausaufgaben machen. Jäger: „Wir stellen fest, dass viele Betriebe Ältere nicht an Weiterbildungsmaßnahmen beteiligen.“ Dabei könnten sie dadurch besser an den Betrieb gebunden und über eine bessere Qualifizierung für einen Wettbewerbsvorteil des Hauses sorgen.
Einer, der auf ältere Arbeitnehmer setzt, ist der Augenarzt und Augenoptiker Dr. Eckard Roth. Er hat im vergangenen Jahr den 65-jährigen Augenoptiker Armin Stolz eingestellt, weil dieser ihm gut qualifiziert erschien. Bilanz von Roth und seiner Belegschaft nach einem Jahr: „Wir sind sehr zufrieden mit ihm.“ Wegen eines Trauerfalls habe der jetzt 66-Jährige um eine kurze Auszeit zur Bewältigung von zwei Monaten gebeten. Aufhören will er nicht, eventuell auf Teilzeit abstufen.
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