Wirtschaft Handwerk schlägt Alarm: Wir werden aus der Stadt gedrängt
Düsseldorf · Der Wohnungsbau dominiert alles, in Neubaugebieten finden sich daher kaum noch Flächen für Gewerbe.
Wenn die Toilette verstopft ist oder der Strom ausfällt und die Tiefkühltruhe gerade abtaut, ist schnelle Hilfe gefragt. Gut ist dann, wenn man einen Klempner oder Elektromeister in der Nachbarschaft hat, den man bestenfalls auch noch persönlich kennt. Wer in Düsseldorfer Neubaugebiete zieht, muss vermutlich länger auf einen Handwerker warten. Denn Gewerbe ist dort nicht mehr vorgesehen, weil der Wohnungsbau lukrativer ist. Darum schlägt die Handwerkskammer jetzt Alarm. „Unter unseren Mitgliedern macht sich Unzufriedenheit breit. Es herrscht eine große Verunsicherung,“ so Präsident Andreas Ehlert. Denn zusätzlich werden viele Betriebe aus Innen- und Hinterhöfen verdrängt, weil Hausbesitzer die Gewerbeflächen ebenfalls lieber in Wohnungen umwandeln.
Am Donnerstag stellte die Handwerkskammer eine Untersuchung des Instituts für Stadtplanung und Städtebau der Uni Duisburg vor. Dabei wurde insbesondere auf die Verdrängung von Handwerksbetrieben in Bilk und Flingern eingegangen. Ein Beispiel sind die Karolinger Höfe auf dem früheren Gelände von Auto Becker. Oder die Schraubenfabrik Mothes, an die beim Mothes-Karree nur noch der Name erinnert. Gewerbe gibt es hier nicht mehr. Auch traditionelle Innenhof-Standorte wie an der Suitbertus- und der Burghofstraße seien an den Wohnungsbau „verloren“. Ein weiteres negatives Beispiel sei das Neubaugebiet Grafental, das früher auch ein Gewerbegebiet war. Dort gibt es noch einen Bäcker und einen Kiosk. Handwerker gibt es dort keine.
In Düsseldorf endete die Suche
nach einer Fläche am Telefon
Den Finger in die Wunde legen Kerstin Lau und Achim Lehnen, die in Reisholz einen metallverarbeitenden Betrieb besitzen, der unter anderem Gitter und Geländer herstellt: „Wir müssen 100 000 Euro in eine Halle investieren, die wir gemietet haben.“ Vergeblich haben die beiden nach einer geeigneten Gewerbefläche gesucht. In Düsseldorf gab es eine Absage am Telefon. „Wir haben uns auch vergeblich in Nachbarstädten wie Hilden und Erkrath umgesehen“, so Kerstin Lau, „aber in Düsseldorf haben wir uns besonders unwillkommen gefühlt.“
Ähnliche Erfahrungen hat auch Raumausstatter Andreas Becker gemacht, der nach 35 Jahren aus seinem Betrieb „verjagt“ wurde. Er hat inzwischen ein neues Objekt in Bilk gefunden und hofft, dass ihm sein Hausbesitzer noch sehr lange erhalten bleibt. Einem jungen Handwerker würde er aber lieber nicht mehr raten, sich in Düsseldorf selbstständig zu machen.
Wie Andreas Ehlert betonte, seien Mischgebiete auch im Interesse der Stadtplaner. Denn viele Handwerker wohnen auch in den Stadtteilen, wo sich ihre Betriebe befinden. Wer Arbeitsplätze in die Außenbezirke verdränge, der werde das verkehrs- und energiepolitische Ziel einer Stadt der kurzen Wege verfehlen.
Die Handwerkskammer fordert von der Stadt, dass Gewerbebetriebe bei großflächigen Bebauungsplänen wieder eine stärkere Rolle spielen sollen. Sonst drohe eine „soziale Erosion“, wie der Kammerpräsident befürchtet. Dieses führe auch zunehmend zu einem Verlust von gewerblichen Arbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt.