Handwerkskammer-Präsident Ehlert: "Unser guter Ruf muss gut bleiben"
Düsseldorf. Im Interview mit der WZ spricht der neue Präsident der Handwerkskammer über Nachwuchssorgen, faire Löhne und fließenden Verkehr.
Herr Ehlert, wann haben Sie zuletzt Handwerker bei sich zu Hause gehabt?
Andreas Ehlert: Vor vier Wochen, da brauchte ich einen Spezialisten für Sanitär und Heizung.
Und waren Sie mit dem Kollegen zufrieden?
Ehlert: Das lief alles gut. Vor allem, weil er schnell da war. Ich hatte ein Leck an der Heizungsanlage, da lief Wasser raus. Ich habe den Finger draufgehalten — bis der Handwerker kam. Er war zum Glück schon nach einer halben Stunde vor Ort.
Ist das Handwerk besser als sein Ruf?
Ehlert: Ich glaube, der Ruf ist insgesamt schon recht gut. Die Herausforderung ist, dass er auch gut bleibt. Entscheidend dafür ist die Qualifikation: Es machen sich immer mehr Handwerker selbstständig, ohne eine ausreichende Qualifikation dafür zu haben. Deshalb werben wir für eine gute Ausbildung — bei den Betrieben und bei der Politik.
Welche Branchen machen Ihnen da vor allem Sorgen?
Ehlert: Vor zehn Jahren hat der Bundesgesetzgeber leider in einigen Handwerksberufen die Qualifikationspflicht gestrichen. Danach gab einen regelrechten Ansturm schwach qualifizierter Handwerker in den Fliesenlegerberuf. Viel Pfusch war die Folge — viele Fälle landen bei unserer Schlichtungsstelle. Und oft lassen sie sich nicht mehr nachvollziehen, weil die betroffene Firma nicht mehr existent ist.
Trotzdem gibt es für solche halbseriösen Angebote eine Nachfrage. Ergebnis der Geiz-ist-geil-Mentalität?
Ehlert: Das ist eine Diskussion, die auch politisch geführt werden muss. Die Gefahr etwa beim Mindestlohn besteht darin, dass junge Handwerker in die Selbstständigkeit gedrängt werden, weil manche Unternehmer die Löhne nicht zahlen wollen beziehungsweise können. Manche dieser Selbstständigen gehen dann mit Kampfpreisen auf den Markt . . .
... wo sie per Internet Kunden suchen. Wie seriös sind die einschlägigen Plattformen wie MyHammer.de?
Ehlert: Das muss man unterscheiden. Bei MyHammer.de müssen die Handwerker inzwischen nachweisen, dass sie qualifiziert sind. Da haben wir keinerlei Bauchschmerzen. Bei anderen Plattformen ist das anders.
Sie selbst führen einen Schornsteinfegerbetrieb, suchen Sie auch Aufträge per Internet?
Ehlert: Nein, wir haben einen festen Kundenstamm. Preisdumping kommt für uns auch nicht infrage, wir zahlen unseren Mitarbeitern gute Löhne.
Was wollen Sie in ihrer neuen Funktion anders machen als Ihr Vorgänger?
Ehlert: Aus meiner Sicht hat Wolfgang Schulhoff alles richtig gemacht. Die eigentliche Frage ist deshalb: Wie soll es weitergehen? Und da ist mir wichtig, dass wir unsere Imagekampagne weiterführen wollen, denn wir müssen verstärkt um Nachwuchs werben.
Weil sich immer mehr junge Menschen für ein Studium entscheiden?
Ehlert: Auch deshalb. Die Wirklichkeit ist so: Mehr als die Hälfte eines Jahrgangs macht Abitur, davon wiederum versuchen die meisten ein Studium. Aber viele scheitern — und zurück bleibt eine abgebrochene Geschichte. Wir müssen stärker versuchen, an diese Menschen heranzukommen. Zum Teil gelingt das auch. Und schon jetzt haben wir einen steigenden Anteil an Abiturienten unter den Azubis: von 7 Prozent 2007 auf 13 Prozent im vorigen Jahr.
Der Trend zu mehr Individualität müsste Ihrer Branche doch eigentlich in die Hände spielen?
Ehlert: Ja, das tut es. Wir merken in bestimmten Gewerken eine stärkere Nachfrage. Etwa bei Friseuren, Kosmetikern und Augenoptikern, das modeschaffende Handwerk, aber auch die Innenraumgestaltung gehören zu den Stilikonen. Das Energiehandwerk, das als ökologisch wichtig gilt, zählt ebenfalls zu den Zukunftsberufen.
Auf der anderen Seite gibt es in vielen Betrieben offene Nachfolgefragen...
Ehlert: ...ja, auch das ist ein großes Thema. 9000 Firmeninhaber in unserer Region suchen in den nächsten fünf Jahren einen Nachfolger, diese Zahl ist kontinuierlich gestiegen. Vor zehn Jahren lag diese Zahl noch bei 5500. Wer sein Unternehmen abgeben möchte, den beraten wir entsprechend. Hilfreich ist die Meistergründungsprämie: Dieser einmalige Zuschuss von 7500 Euro hilft vielen jungen Meistern in ihren Gesprächen mit der jeweiligen Hausbank.
In Kürze ist Kommunalwahl, was wünschen Sie sich von den Politikern?
Ehlert: Wir haben ein großes Interesse daran, dass die Mitarbeiter der Betriebe bezahlbaren Wohnraum finden können. Wenn sich ein Handwerker die Stadt nicht mehr leisten kann und von auswärts anreisen muss, geht viel Zeit verloren. Ein anderes wichtiges Thema ist der Verkehr, der muss flüssig laufen. Wenn ich für die 37 Kilometer von Düsseldorf nach Wuppertal anderthalb Stunden mit dem Auto brauche, weil ständig Stau ist, dann läuft da was falsch. Und: Wir werden der Verkehrsproblematik nicht Herr werden, wenn wir die Sanierung der Infrastruktur bei der Schiene nicht genauso forcieren wie bei der Straße.
Sind Sie politisch engagiert?
Ehlert: Ich bin Ortsvorsitzender einer Partei im Stadtnorden, werde mich da aber zurückziehen. Die Handwerkskammer ist zwar politisch, aber nicht parteipolitisch.
Stimmt es, dass Schornsteinfeger Glück bringen?
Ehlert: Zumindest hat noch keiner das Gegenteil bewiesen...