Altstadt Samstag sieht wie Dienstag aus
Düsseldorf · Wie wirken sich all die Absagen wegen des Coronavirus auf die Altstadt aus? Ein Rundgang durch das Viertel, das auch weiterhin nie schläft.
Um zehn beginnt es zu regnen. Die Tropfen sind so dick, dass es im Licht der vorbeifahrenden Autos aussieht, als würde es schneien. Das passt. Die Altstadt erinnert in vielem an einen weißen Wintertag. Es ist ruhig, die Luft ungewöhnlich frisch, es sind nicht so viele Menschen unterwegs. Der Samstag sieht wie Dienstag aus. Ein Drittel ist da.
Beim abendlichen Spaziergang durch Düsseldorfs belebtestes Viertel lernt man viele Formen von leer und doch-nicht-so-leer kennen. In der Straßenbahn klappt das mit dem Abstand zu den Mitmenschen problemlos, bis zum nächsten Mitfahrer sind immer ein, zwei Reihen frei. Vor dem wichtigsten Treffpunkt der Altstadt, vor McDonald’s an der Heinrich-Heine-Allee, liegen zwischen den Schatten derjenigen, die dort auf andere Schatten warten, stets ein paar Meter. Die Kasematten leuchten lila, rot, gelb, auf vielen Bierbänken sitzen Leute, trinken, essen. War ja doch lange recht warm. Vor dem Uerige, also direkt davor, sind alle Stehtische bevölkert, auch auf der gegenüberliegenden Seite sind ein paar Gäste und nehmen noch eins. Ähnlich sieht es auch vor dem Füchschen und der Uel aus, ansonsten sind an der Ratinger Straße aber auch einige Terrassen komplett leer.
In den großen Kulturhäusern scheint etwas los zu sein. Die Oper verbucht den vollen Kilowattwert inklusive großem Kronleuchter, das Schauspielhaus offenbart im Versteck hinter der Kö-Bogen-II-Baustelle seine neue Schönheit. Letztlich leuchten die Häuser aber nur für die Kassen, an denen Mitarbeiter für diejenigen sitzen, die die Absagen nicht mitbekommen haben oder nicht wissen, was jetzt aus ihrem Ticket wird.
Die Menschen, die hier „Madame Butterfly“ oder „Ein Traumspiel“ geguckt hätten, sind ebenso wenig in die Stadt gekommen, wie diejenigen, die nach einem Besuch in der Kunstsammlung oder im Kunstpalast noch ein bisschen geblieben wären. Ein Drittel fehlt.
Die Bolkerstraße weist dagegen eine Personen-pro-Quadratmeter-Quote auf, die man von ihr gewöhnt ist. Wir lernen: Wer für den 14. März geplant hatte, die beste Freundin mit einem Schleier, einem Krönchen und einem Bauchladen durch die Altstadt zu schicken, der zieht das durch. Und auch sonst: Cocktail, Burger, Wasserpfeife. Die Besucher trinken, essen, rauchen, erst unter Heizpilzen, später dringt die Stimme des Schlager-DJs von drinnen hier hin und vermittelt, wo die Gäste jetzt wohl sind.
Nur eines ist auf der Bolkerstraße anders an diesem Abend. Auf den vielen Fernsehern, die da hängen, sind mangels Möglichkeit keine aktuellen Sportereignisse zu sehen. Da laufen alte Handballspiele, alte Fußball-Partien aus Österreich, in einer Kneipe sogar Formel-1-Rennen aus der vergangenen Saison. Und gelegentlich guckt auch mal jemand, wer denn damals gewonnen hat.
Der Unterschied zwischen leer und doch-nicht-so-leer ist an diesem Abend oft nur eine Frage weniger Meter. Wer von der Bolkerstraße abbiegt, sieht in den Restaurants der Schneider-Wibbel-Gasse, drinnen wie draußen, nur an wenigen Tischen jemanden sitzen. Dort fällt einem wieder ein, dass an diesem Wochenende eigentlich die Pro Wein geplant war, diese aber wie viele andere Messen abgesagt wurde. Aussteller, Besucher, andere Geschäftsreisende sind alle nicht gekommen. Auch das letzte Drittel fehlt.