Das neue Kraftwerk Innen blitzsauber — und fast menschenleer

In den riesigen Hallen des neuen Kraftwerkblocks wird der Strom für Düsseldorf erzeugt. Effizient wie nie — und sauber in vielerlei Hinsicht.

Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Wenn man die Augen schließt, klingt es fast wie Flughafen — als würde ein großer Düsen-Jet in der Nähe stehen, dessen Turbinen sich gerade warmlaufen. Wenn man die Augen öffnet, bietet sich ein ganz anderes Bild: Wir stehen auf einer Empore in der Maschinenhalle des neuen Kraftwerks im Hafen. Vor uns sehen wir das Herzstück dieser riesigen Industrieanlage. Wobei, genau genommen sehen wir nur die Isolationen von zwei riesigen Turbinen, mit denen der Strom für Düsseldorf gewonnen wird.

Foto: Judith Michaelis

Das immerhin ist wörtlich zu verstehen: „Mit diesem Strang können wir die ganze Stadt mit Strom versorgen“, sagt Gerhard Hansmann, Leiter der drei großen Stadtwerke-Kraftwerke sowie der Müllverbrennung. Mit dem Begriff „Strang“ meint er die gesamte Anlage vor uns, von der man per Augenschein vor allem eines sagen kann: Alles hängt mit allem zusammen — wie an einem Strang.

Grob vereinfacht funktioniert das Kraftwerk so: An einem Ende wird die Primärenergie Gas eingeführt. Daraus werden an drei verschiedenen, hintereinander geschalteten Stellen drei unterschiedliche Arten von Energie gewonnen. Diese dreifache Verwertungskette ist der Grund, weshalb Hersteller Siemens davon redet, es handele sich um das effizienteste Gaskraftwerk der Welt. Modernste Technik macht es möglich.

Und dass hier alles modern ist, das kann man — anders als die Turbinen selbst — sogar sehen: Denn die gesamte Anlage blitzt und blinkt, so neu ist sie. Ob an den Leitungen, den Metallverkleidungen oder den Armaturen — keine Roststelle, kein bisschen Dreck trübt den Eindruck. Und wahrscheinlich wird das noch eine Weile so bleiben, denn es in der ganzen Halle keine Menschen zu sehen, die irgendwelchen Dreck hinein tragen könnten. Der Laie staunt, dass eine solch große Anlage (Gesamtinvestition: rund eine halbe Milliarde Euro) offenbar völlig ohne Mitarbeiter auskommt, die sie bedienen.

Aber dieser Eindruck täuscht bloß. Der Fachmann weiß: Zwar gibt es tatsächlich innerhalb der Maschinenhalle keine ständigen Arbeitsplätze. Dafür aber in der Zentralwarte. Auch die befindet sich auf dem Gelände im Hafen, Von dort aus werden alle Kraftwerke der Stadtwerke betrieben. Rund um die Uhr sind hier jeweils mindestens zehn Mitarbeiter im Einsatz.

Um eine solche Anlage steuern zu können, braucht man Expertenwissen. Gut erinnert sich ihr Chef Gerhard Hansmann noch an den Moment, als die Bedienungsanleitung für den neuen Kraftwerksblock kam: „Das waren drei Paletten.“ Ob man in diesem Papierberg im Zweifelsfall wirklich Rat finden kann? Der einfältige Reporter kann sich das nicht vorstellen, und im Kesselraum schon gar nicht.

Der befindet sich neben der Maschinenhalle. Dort soll — so die theoretische Erklärung — mit Hilfe von heißen Abgasen Wasserdampf auf 600 Grad erhitzt werden, der die Dampfturbine antreibt. In der Praxis ist aber bloß ein stattliches Gewirr aus niegelnagelneuen Metallrohren, Absperr-Armaturen und Pumpen zu sehen. Kaum vorstellbar, dass überhaupt jemand auf Anhieb sagen kann, welches Rohr warum wohin führt. Um seine Besucher nicht zu verwirren, belässt es der studierte Kraftwerkstechniker Hansemann bei einer einfachen Zustandsbeschreibung: „Das hier ist ein hochkomplexes Organ.“

Die Halle daneben bietet das komplette Gegenteil: Hier gibt es nur einen klar begrenzten Teil der Anlage und dessen Funktion ist einfach beschrieben: der Kamin. 63 Meter ragt er in die Höhe und ist im Wortsinne das Highlight des Kraftwerks. Denn auf einer Höhe von exakt 45,31 Metern befindet sich eine Aussichtsplattform hinter dem so genannten Stadtfenster. Denn der Kamin steht nicht frei, er ist größtenteils eingehaust, so dass sich auch die Plattform in einer großen Halle befindet. Und das Stadtfenster wiederum gewährt einen tollen Ausblick auf die Stadt. Hier werden künftig die Rundgänge von Besuchergruppen enden.

Gleichzeitig soll das Stadtfenster nach außen Transparenz und Offenheit symbolisieren. Das ist den Stadtwerken wichtig, denn sie glauben, dass das Kraftwerk gut für die Stadt ist: „Das hier ist das passende Pendant zur Energiewende. Wenn die Erneuerbaren gerade nicht liefern, kann der Gasblock flexibel die Lücken schließen“, erklärt Hansmann. Denn das Kraftwerk von null auf 100 (also Voll-Last) zu bringen, dauert nur 40 Minuten. Hansmann sagt: „Ohne solche Kraftwerkstypen klappt es nicht, regenerative Energien sinnvoll zu nutzen.“ Man merkt: Der Ratinger, der seit mehr als 20 Jahren für die Stadtwerke arbeitet, ist stolz. Auf sein Unternehmen — und auf dieses blitzsaubere Kraftwerk.