Düsseldorf-Carlsplatz im Wandel Junge Generation erobert den Carlsplatz
Händler-Nachwuchs investiert in neue Stände und Ideen. Mancher Betrieb wird schon in vierter Generation geführt.
Düsseldorf. Drei Sterne waren Tim Tegtmeier nicht mehr genug. Der Chef-Pâtissier von Joachim Wissler im Restaurant Vendôme in Bergisch Gladbach hat gekündigt. Eben noch wurde der 27-jährige Düsseldorfer zum Pâtissier des Jahres gewählt, jetzt sucht er sein Glück in einer Bretterbude auf dem Carlsplatz.
Tegtmeier ist der Sohn von Kaffee-Reich-Chefin Ursula Wiedenlübbert (55) und steigt mit ins Unternehmen ein. Die Bretterbude wird erweitert, eine Pâtisserie angeschlossen, 60 000 Euro werden investiert. Mitte Mai soll es losgehen. „Ich wollte was Eigenes machen“, sagt der gelernte Koch. „Auch wenn ich meine bisherige Arbeit immer sehr gerne gemacht habe.“
Mutter und Sohn streben einen Generationenwechsel an. Tegtmeier soll das Geschäft innerhalb der nächsten zwei Jahre übernehmen. Allerdings nur, wenn der Sohn die strengen Auflagen der Mutter erfüllt: Tegtmeier muss bei einem anderen Kaffeeröster lernen sowie bei einem Händler in Hamburg. Vor allem aber muss er auf einer Farm in Brasilien arbeiten. „Ich selbst will dann mehr um die Welt reisen, um nach gutem Kaffee Ausschau zu halten“, sagt Wiedenlübbert.
Tegtmeier ist einer von mehreren jungen Markthändlern, die dem Carlsplatz ein neues Gesicht geben. Geschäftsführer Heiner Röckrath: „Eine sehr schöne Entwicklung. Sie bringen neue Ideen mit und nehmen Geld in die Hand.“ Das passt aus Sicht von Röckrath zur Ausrichtung des Marktes. „Wir wollen das Moderne mit dem Traditionellen verknüpfen.“ Und ergeben soll sich daraus eine große Produktvielfalt mit ausgewählter Qualität.
Ein weiterer Generationenwechsel hat sich bereits bei Feinkost Fladi vollzogen. Albors Javaheri hat den Stand von seinen Eltern übernommen. Auch er ist erst 27. „Ich bin mit dem Markt aufgewachsen“, sagt er. Das Sortiment von Kaviar bis Oliven hat er etwa um Weine und Trüffel erweitert. Außerdem bietet er eine Art Feinkostdöner zum Beispiel mit Thunfisch oder Safranhähnchen an. „Die Besucher wollen nicht nur einkaufen, sondern den Markt auch erleben.“
Auch an Ständen mit langer Tradition ist die junge Generation nachgerückt. 30 Jahre gibt es etwa den indischen Imbiss. Navdeep Singh Jhural (33) hat ihn vor vier Jahren von seinen Eltern übernommen und seinen Verkäuferjob an den Nagel gehängt. Heute steht er jeden Morgen ab 7.30 Uhr da und kocht nach den leicht verfeinerten Rezepten seines Vaters die Tikka- und Curry-Gerichte. „Ich arbeite heute mehr, aber ich bin viel zufriedener.“
Bei Röckraths Blumenladen steht bereits die vierte Generation im Geschäft — die 30-jährige Tochter des 57-jährigen Geschäftsführers, Christina Stübner. Auch den Obst- und Gemüsestand von Schier gibt es in vierter Generation. Tobias, einer der drei Söhne, freut sich über die aktuelle Entwicklung. „Die jungen Leute bringen neue Ideen mit. Bei uns gibt es mittlerweile auch selbst gemachte Marmeladen und Chutneys.“ Den Trend zu hochwertigen Lebensmitteln auf dem Markt sieht er positiv: „Nur mit Massenware locken wir heute gerade die junge Generation nicht mehr auf den Markt.“
Deshalb gibt es neben den Angeboten für den täglichen Bedarf vermehrt Stände wie die noch recht neue Steakboutique und den Pavillon mit Lakritzspezialitäten des Dänen Johan Bülow oder neuerdings Inka & Mehl von Inka Olek und Heike Mehl. Dort gibt es spezielle Samen, Inka-Beeren, glutenfreie Mehle und ein ausgesuchtes Feinkostsortiment.
Aber auch mit einem klassischen Käsestand steht seit einem Jahr ein 26-Jähriger auf dem Markt. Niklas Körner ist der Kaas Koning mit Schwerpunkt holländischem Käse. Nach einem Studium der Ernährungs- und Haushaltswissenschaft ist er ins Familienunternehmen eingestiegen. 100 000 Euro hat sein neuer Wagen mit Hightech-Kühlung gekostet.
Dass Körner heute auf dem Carlsplatz steht, hat er übrigens seinem Vater zu verdanken. „Er hat vor 30 Jahren hier bei einem Käsestand seine Visitenkarte hinterlassen, falls der Besitzer irgendwann verkaufen wolle.“
Vor einem Jahr klingelte schließlich das Telefon. „Ich finde es cool, dass hier jetzt so viele junge Leute Händler sind. Viele trauen sich das ja heute gar nicht mehr oder scheuen die viele Arbeit.“ Körners Tag beginnt morgens um 5 Uhr und endet gegen 19 Uhr. Trotzdem bereut er seine Entscheidung für den Markt nicht. „Meine Nachbarn haben es mir sehr leicht gemacht, viel läuft ja über Empfehlungen. Und ich genieße die schöne Atmosphäre auf dem Markt.“
So viel jugendlicher Elan und Drang zur Erneuerung färbt auch auf alteingesessene Händler ab. Evangelia Adamidou hat ihren Saftladen komplett neu gebaut. 30 000 Euro hat sie für ihre Hütte aus Naturholz ausgegeben. „Bei so vielen schönen, neuen Ständen um uns herum mussten wir einfach nachziehen.“