„Kästner schrieb gegen die Ignoranz an“

Regisseurin Bernadette Sonnenbichler inszeniert einen Kästner-Roman.

Foto: Thomas Rabsch

„Emil und die Detektive“ oder „Das doppelte Lottchen“ kennt fast jeder. Es sind Kinderbücher aus der Feder von Erich Kästner, mit der Generationen groß geworden sind. Nur wenige wissen heute noch von dem sogenannten Großstadtroman „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“, den Kästner 1931 mit autobiografischen Zügen versehen hat. Darin entwirft der bekannte Autor und Kabarettist Kästner (1899-1974) ein Gesellschaftsbild Berlins am ‚Vorabend’ von Hitlers Machtergreifung. Die Hausregisseurin des Schauspielhauses, Bernadette Sonnenbichler, bringt diesen Stoff jetzt auf die Bühne. Uraufführung ist Samstag, 14. Oktober, 19.30 Uhr, im Central.

Frau Sonnenbichler, wie sind Sie auf den Roman von Erich Kästner gestoßen?

Bernadette Sonnenbichler: Das war ein Vorschlag der Dramaturgie. Vor Jahren hatte mich schon mal ein Theater auf diesen Text aufmerksam gemacht, daher kannte ich den Text und habe mich über diesen Vorschlag gefreut.

Was interessiert Sie an dem Sujet von 1931?

Sonnenbichler Der Roman hat wunderbare Figuren, unter anderem natürlich die Hauptfigur des Jacob Fabian. Eine interessante Geschichte, viel Humor, eine lakonische, sehr berührende Tiefe. Und es sind viele Parallelen zu unserer heutigen Situation zu finden. Das macht den Stoff aktuell.

Wie haben Sie den Text gekürzt?

Sonnenbichler: Erich Kästner verwendet im Roman häufig wörtliche Rede. Insofern war es recht einfach, eine Theaterfassung zu erstellen. Kürzen muss man natürlich immer bei einer Romanbearbeitung. Es geht ja auch um die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise von 1929.

Spielen die historischen Bezüge bei Ihnen eine Rolle?

Sonnenbichler: Sie sind auf der Bühne nicht sehr relevant. Natürlich ist der Roman 1931 angesiedelt, und natürlich spielt es eine Rolle für die Protagonisten, dass es eine Umbruchszeit war: hohe Arbeitslosigkeit, aufkeimender Faschismus, eine ungeheuer lebendige Kunstszene und große Lebensgier knallten aufeinander… Aber Theater ist kein Geschichtsunterricht. Und so sind die spannendsten Momente die, in denen man sich fragen kann: Was hat das mit uns heute zu tun? Der Roman hat ja allerlei Berlin-Bezüge. Und wurde 2015 in der Berliner Schaubühne herausgebracht.

Da passt er doch eher hin als nach Düsseldorf, oder?

Sonnenbichler: Dann dürfte man Jeanne d´Arc nur in Frankreich spielen, oder?

Was können wir heute mit dem Roman anfangen?

Sonnenbichler: Ich denke, Kästner schrieb den Roman in dem Bemühen, die damaligen Leser aufzurütteln. Er schrieb an gegen Dummheit, Verrohung und Ignoranz, und so gab er dem Fabian auch den Untertitel „Die Geschichte eines Moralisten“. Dabei verlor er aber nie die Leichtigkeit, die Frechheit, den Humor und/oder eine gewisse Lakonie.

Und Parallelen zu heute?

Sonnenbichler: Die sind interessant für mich. Wir leben in anderen Zeiten, aber dennoch gibt es erstaunlich viele Momente im Roman, in denen man sich heute angesprochen fühlen kann. Zum Beispiel wenn Fabian vom „Wartesaal Europa“ spricht, wenn er erschreckt ist von der Rohheit und vom Machtmissbrauch seines Chefs, wenn er die Ökonomisierung des Lebens (und der Liebe) am eigenen Leib erfährt.

Gibt es denn eine Moral für das Publikum?

Sonnenbichler: Dem Theaterbesucher „sagen“ möchte ich nichts; ich bin ja kein Prediger und nicht klüger als irgendjemand anderer. Ich denke aber, dass uns diese Geschichte und diese Figuren auf der Bühne heute viel angehen können.

Romane auf der Sprechtheater-Bühne? Das ist nicht gerade originell. Warum jetzt — mit Erich Kästner — schon wieder einer?

Sonnenbichler: Ich muss etwas grinsen, denn ich inszeniere jetzt zum achten Mal einen Roman, und jedes Mal fragen mich Ihre Kollegen nach dem Warum und Wieso. Gegenfrage: Stören Sie sich daran, wenn ein Roman verfilmt wird? Vermutlich nicht, denn meistens freut man sich als Zuschauer doch einfach über eine gute Geschichte, tolle Figuren, und — wie im Falle von „Fabian“ — auch noch über gesellschaftliche Relevanz.

Ist er geeignet für die Bühne?

Sonnenbichler: Natürlich ist nicht jeder Roman für die Bühne geeignet, und Romane erfordern andere Mittel als zum Beispiel ein Klassiker, aber sich da aus Prinzip zu beschneiden, wäre ja einfach nur furchtbar langweilig.

Was und wann war Ihre erste Begegnung mit Erich Kästner? Haben Sie seine Jugendbücher gelesen?

Sonnenbichler Als Kind habe ich das „Doppelte Lottchen“ sehr gemocht, auch „Emil und die Detektive“ und ich glaube, ich habe damals die Verfilmung von „Pünktchen und Anton“ auch sehr lustig gefunden.

Termine: 10. Oktober, Öffentliche Probe, 14.,16., 20., 26. 8., 12., 14., 23. November. Telefon: 0211 369911, www.dhaus.de