Ausstellungen: Waschen, schneiden, föhnen – Kunst
Inmitten von Föhnluft und Kundenplausch zeigen Anna Ulen und Erika Ruhl Malerei.
Düsseldorf. In ihrer Kindheit baut Erika Ruhl mit dem Großvater Geigen aus Zigarrenkisten. 50 Jahre später lässt sie sich von Akademie-Absolvent Konstantin Lange in einer Schubkarre zum Bankschalter bringen, um dort Geld abzuheben. Ob nun die frühe Bastelstunde dazu geführt hat, dass Ruhl Sinn und Herz für solche Performances entwickelte, ist heute nicht mehr nachzuvollziehen. Jedoch hat der Opa, ein erfolgloser Künstler, zweifelsohne erheblichen Anteil daran, dass aus seiner Enkelin ein "bunter Hund" geworden ist.
Erika Ruhl ist Frisörin und Kunstausstellerin. Als sie vor 28 Jahren mit einer Freundin an der Grafenberger Allee ihren ersten Salon eröffnet, hängt sie mitten in die warme Föhnluft die Arbeiten von Malern und Fotografen. Heute ist die kleine Sensation von damals nichts Ungewöhnliches mehr, denn nach Tunneln und ehemaligen Toilettenanlagen gelten auch Frisörsalons als beliebte Ausstellungsorte - für gute und für weniger gute Kunst.
Zunächst sind es Menschen aus Ruhls Dunstkreis, die bei ihr ausstellen, jedoch vergrößert sich die Szene bald. Zu Schwegler-Schüler Konstantin Lange hegt sie heute ein freundschaftliches Verhältnis, knüpft beim Akademie-Rundgang Kontakt zum Nachwuchs. Zurzeit zeigt Peter Rech, ein emeritierter Kölner Kunstprofessor, seine Werke im Salon.
"Es hat lange gedauert, bis die Leute verstanden haben, dass das, was ich mit der Kunst mache, nicht Frisör ist", sagt Erika Ruhl. Als ihr einmal jemand Bilder von Marilyn Monroe und James Dean andrehen will, weil das doch so gut zum Frisör passe, ist das Gespräch sehr schnell beendet. "Das geht gar nicht."
In den vielen Jahren, in denen sie mit Kunst zu tun hat, ist sie sicher, einen Blick für Qualität entwickelt zu haben. Die 56-Jährige, die ihr Geschäft "Heaven Seven" in Flingern mittlerweile alleine führt, schaut sich alle Mappen an und berät mit einem kleinen Gremium aus Kunstschaffenden darüber, wer ausstellen darf und wer nicht.
Es spricht sich herum, dass mancher Frisörsalon mehr zu bieten hat als die Thailand-Fotos ambitionierter Stammkunden. "Ich merke, dass ich langsam ernst genommen werde, weil die Künstler fragen, ob sie bei mir ausstellen dürfen", sagt Anna Ulen. Ihr gehört das Geschäft "Haargenau Kunst im Salon" in Pempelfort. Ein kleiner Raum, der zuletzt von einem übergroßen Wald in Öl auf Leinwand beherrscht wurde. Beuys-Schüler Fernand Roda hat ihn erschaffen, er ist ein langjähriger Freund von Anna Ulen.
Die große schmale Frau, die ihr Alter nicht sagen möchte und das Haareschneiden als "Passion" bezeichnet, kommt aus der legendären Ratinger Hof-Szene, hat lebhafte Abende im Umfeld der Toten Hosen verbracht und das Geld für ihre Selbstständigkeit 1981 per Handschlaggeschäft besiegelt. Anfangs nutzt sie ein schmales Schaufenster für kleinste Ausstellungen, später den ganzen Salon. Seither ist die Resonanz groß und Ulen bis Mitte 2012 ausgebucht.
Abschätzige Bemerkungen über ihre Kunstpassion lassen die Frisörin kalt. "Mich trifft es eher, wenn jemand fragt: ,Haben Sie das gemalt?’", sagt Anna Ulen. "Keines der Werke sieht aus, als hätte ein Autodidakt es geschaffen." Es sind Könner wie Ulrike Zilly (Kunstakademie, Rissa-Meisterschülerin), die Streetartkünstler Majo Brothers und Ulf Rungenhagen (Akademie, Rinke-Klasse), die bei ihr ausstellen.
Die Künstler jedoch tun sich anscheinend noch schwer, eine Schau im Frisörsalon in die Liste ihrer Ausstellungen aufzunehmen. Auf den meisten Homepages findet sich zumindest kein Hinweis. Anna Ulen ist deswegen nicht beleidigt. "Ich verstehe das. Das sieht vielleicht merkwürdig aus und kann dem Image schaden. Andererseits ist es doch auch eine schöne, schräge Location."