Bildband: Das Wohnzimmer als Theaterbühne

Die Düsseldorfer Fotografin Katharina Mayer hat neun Jahre lang Familien in ganz Europa portraitiert.

Düsseldorf. Wer bei den Familienportraits von Katharina Mayer das klassische Orgelpfeifen-Bild von vier bis fünf Menschen sucht, die stur in die Kamera blicken, wird von ihrem neuen Bildband "Familia" enttäuscht sein. So beim Portrait, das die Londoner Familie Manchot in ihrem Loft zeigt.

Während die Tochter gerade an einem Balken zur Decke aufsteigt, gehen die Eltern im Hintergrund ihrer häuslichen Arbeit nach. Der Haushund blickt indes vom Boden aus verschlafen den Betrachter an. "Bilder, in denen sich die Menschen auf einem Haufen versammeln, mag ich nicht. Mir ist es wichtiger, den Raum als Ganzes wirken zu lassen", sagt die Düsseldorfer Fotografin.

Das Projekt, aus dem jetzt das Buch und eine Ausstellung entstanden sind, verfolgt Mayer seit neun Jahren. "Damals wurde ich von einem Berliner Sammler gebeten, seine Familie über einen längeren Zeitraum immer wieder zu fotografieren. Mich hat damals sowohl die Familie als auch ihr Lebensraum fasziniert", erinnert sich die Künstlerin.

Das Wohnzimmer begreift sie bei ihrer Arbeit als eine Bühne oder eine Filmszene, in der die Menschen ihren Platz finden. Oft gab es auch Familienmitglieder, die nicht aufs Bild wollten oder konnten. So bei der Roma-Familie Idic, deren Vater aus Deutschland ausgewiesen wurde. "Wir haben ein kleines Foto stark vergrößert und in das Portrait integriert", erklärt Mayer.

Für sie hat sich der enge Begriff "Familie" während der Arbeit stark verändert und ausgeweitet. Ein Beispiel dafür findet sich beim Portrait "Puppenvater". Entstanden ist das eigenwillige Bild in einem Behinderten-Wohnheim in Rotenburg an der Wümme. "Dort hatten zwei Bewohner mit Puppen eine Familie gegründet." Auch Mayer selbst erweitert die persönliche Definition von Familie. "Für mich ist zum Beispiel die Onomato-Künstlergruppe wie eine Familie. Auch das Foto von meinem älteren Sohn mit seinen besten Freunden zeigt eine Art Familie."

Ihre eigene Familie, die ebenfalls ihren Weg in den Bildband gefunden hat, würde Mayer nicht unbedingt als klassisch bezeichnen. Allerdings sind ihr die täglichen Zusammenkünfte beim Abendessen oder beim Frühstück wichtig. "Ich mag es auch, gemeinsam mit der Familie in den Urlaub zu fahren", sagt die Fotografin, die selbst mit drei Geschwistern aufgewachsen ist.

In dem Band finden sich auch Familien, nach denen Mayer lange gesucht hat. Wie die Indianer aus Bochum oder die jüdisch-orthodoxe Familie aus Düsseldorf. "Sie von dem Projekt zu überzeugen, hat sehr lange gedauert", berichtet die Düsseldorferin.