Buchstaben machen Dichterköpfe

Im Goethe-Museum eröffnet am Mittwoch eine ungewöhnliche Schau berühmter Literaten.

Samuel Beckett (Bild), Virginia Woolf und Leo Tolstoi (nächste Bilder) sind gut zu erkennen. Hauptsächlich Buchstaben und Satzzeichen verleihen den Literaten ihre individuellen Züge. Die Grafiken erschuf Ralf Mauer.

Foto: Goethe-Museum/Mauer

Düsseldorf. Was hat Virgina Woolf gelitten! Stundenlang las die Schriftstellerin und Verlegerin die Druckfahnen ihrer Werke und gelangte zu der festen Überzeugung, damit ihre „Fähigkeiten zu lesen ernstlich beschädigt“ zu haben. Woolf: „Das ist die allerschlimmste Zeit. Sie weckt Selbstmordgedanken.“ Da, wo die große Romanautorin lesen musste, verlor sie die Freude an den Buchstaben. Und wenn man ihr Porträt im Goethe-Museum anschaut, dann meint man, ein wenig von diesem Missfallen darin zu entdecken.

Virginia Woolf

Foto: Goethe-Museum/Mauer

Woolfs Konterfei ist eines von 48 Dichterexponaten, die im Goethe-Museum zu sehen sind. Und es ist bemerkenswert, wie treffend die Gesichtszüge von Berühmtheiten wie Marcel Proust oder Edgar Allen Poe ausgearbeitet sind, besteht doch jedes Porträt aus Buchstaben und Satzzeichen. Der Hamburger Grafik-Designer Ralf Mauer hat den einzelnen Autoren eine eigene Schriftart gewidmet, die bis ins Detail deren Gesichter formt — vom Bart Tolstois über Kafkas Ohr bis hin zu der feinen Mimik Virginia Woolfs.

Leo Tolstoi

Foto: Goethe-Museum/Mauer

Äußerungen der Literaten zum Schriftsatz, zu Druck und Layout finden sich neben jedem ausgestellten Bild. Goethe etwa hält die Druckprobe eines seiner Werke zwar im Ganzen für akzeptabel — „ob sie gleich nicht so modern und lustig aussieht, als wir es im nördlichen Deutschland gewohnt sind“. Oscar Wilde wiederum lästert: „Die Schrifttype ist gut: wenn mir auch die Fragezeichen stillos vorkommen und die Punkte, besonders am Satzende, charakterlos. Doch abgesehen davon sieht das Buch zu mager aus für einen Preis von drei Schilling und sechs Pence.“

Etwas verloren wirken die DIN-A4-formatigen Grafiken in dem großen Saal im Erdgeschoss. „Wer aufgeblasene Fußballfeld-Bilder erwartet, ist hier falsch“, sagt Christof Wingertszahn. „Wir haben uns bewusst für die Original-Größe entschieden.“ Nicht mit imposanten Dimensionen will er die Besucher beeindrucken. „Unser Plan ist es, verstärkt die Bedeutung für die Buchkunde in Erinnerung zu rufen. Diese Ausstellung gehört dazu.“