Tonhalle Diverse Fäden und ein Paukenschlag
Düsseldorf · Beim Konzert der Düsseldorfer Symphoniker gab es: Haydn aus Ádám Fischers Jugend, Bass Tomasz Konieczny, Mahler und ein musikalisches Statement zur Diversität.
Das Sommerkonzert der Tonhalle – unter Corona-Bedingungen, die schon einiges zulassen – konnte nur so stattfinden, weil viele Stränge der Geschichte sich hier auf fast magische Weise zusammenfanden. Fast ein bisschen, als hätte ein Romancier sich hingesetzt und Fäden fein gesponnen, um sie schließlich an einem Punkt zusammenzuführen. Welche waren diese Fäden?
Nun, ein Handlungsstrang unserer Geschichte und dieser ist gewiss kein leichtfüßiger, ist die aktuelle Corona-Situation. Wegen ihr mussten Programme umgeworfen werden, überall, auch in der Tonhalle. Doch bald kam Hoffnung auf; Alternativen wurden möglich, erst zaghaft, dann etwas mutiger. Wenngleich bei diesem Konzert der Düsseldorfer Symphoniker unter ihrem Chefdirigenten Ádám Fischer noch deutlich weniger Publikum mit Abstand im Mendelssohn saß, als hätte sitzen dürfen. Wohl zu groß ist noch die Vorsicht, wenngleich die Tonhalle alle Regeln, die aktuell gelten, selbstverständlich befolgt und so für sein Publikum, aber auch die Mitarbeiter, sorgt.
Die besonderen Konzerte, nun war das zweite der Reihe zu erleben, mussten davon abhängig gemacht werden, welche Abstandregeln was auf der Bühne möglich machen, wie geprobt und auf dem Podium gespielt werden kann. Auch ein Faden, der sich in das Gesamtgeflecht dieses Konzertabends webt. Wie der Umstand, dass dieses Konzert wohl so nie stattgefunden hätte, wenn der Bassbariton Tomasz Konieczny nicht zufällig seinen Lebensmittelpunkt in Düsseldorf hätte und eben durch Corona nicht seine ursprünglichen Pläne auf großen Bühnen dieser Welt hätte umwerfen müssen. Derzeit hätte er sich übrigens wohl auf Bayreuth vorbereitet, um dort unter anderem Gunther in der Götterdämmerung zu singen. Den Wotan hätte er in Wien schon im März unter Fischer gesungen – auch das musste ausfallen.
Aber die Fäden gehen noch weiter: Dieses Konzert hätte so nie stattfinden können, hätte Ádám Fischer selbst, der auch diesmal eine unbeschreiblich sprühende, jugendliche Freude am Musizieren ausstrahlte, seinerzeit nicht ein enttäuschendes Erlebnis mit just der Sinfonie „Mit dem Paukenschlag“ von Haydn gehabt. Der namensgebende Schlag im zweiten Satz, dem Andante, fiel dem jungen Hörer damals deutlich zu lasch aus. Das Sommerprogramm unter Corona-Bedingungen schien eine gute Gelegenheit, diese Sinfonie dem Düsseldorfer Publikum mit den Düsys mal so vorzuführen, wie Fischer es sich erträumt hatte. Galant und spritzig wie ein kühler Sommercocktail, aber zugleich mit ordentlich Knall. Natürlich hätte uns der Haydn-Spezialist Fischer wohl auch ohne dieses besondere Jugenderlebnis einen Haydn serviert; aber so ist die Geschichte noch schöner.
Eine schöne Geschichte ist auch der Film Amadeus, durch den Mozarts unsagbar tiefgründige g-Moll Sinfonie KV 183 einem breiten Publikum bekannt wurde. Damit begann dieses Konzert, bei dem Bläser Damenstrümpfe auf die Öffnungen ihrer Instrumente stülpen mussten, sonst aber eine der Musik angepasst normale Besetzung möglich war. Bis auf etwas mehr Abstand wirkte die Bühne fast wie in den guten alten Zeiten. Fischers Dirigat und das Spiel der Symphoniker überzeugte auf jeden Fall durch gewohnte Qualitäten – vielleicht mit noch einer Spur mehr Hingabe. Wobei Fischer und sein Düsseldorfer Orchester immer viel Seele in die Musik bringen, aber man merkt darüber hinaus, wenn Musiker sich einfach nur freuen, wieder gemeinsam die Kunst der Musik pflegen zu dürfen. Leichtigkeit in der Phrasierung, viel Kraft und Wucht im tiefen Kern von Mozarts Tonsprache fügten sich zu einem harmonischen Wechsel zwischen Spannung und Entspannung.
Diese Magie verströmten auch die beiden von Tomasz Konieczny interpretierten Mahler-Lieder. Allerdings eher deren dunkle, melancholische, grüblerische Seite. Mit „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ und dem „Tamboursg’sell“ stieg man tief in die Mahler’sche Seele hinab. Die durch den Sänger notwendig gewordenen Abstandsregeln sorgten für spezielle Bedingungen, die sich in einer aber überraschend erschütternd, mitreißenden Interpretation widerspiegelten. Der Bass, der eine überaus kultivierte und schmeichelnde Tiefe hat, ließ – vielleicht aus Rührung – seine Stimme in den höheren Regionen hauchdünn werden, wie ein sanfter Schleier, der sich auf die Tränen einer Trauernden legt. Um dann wieder in großen Phrasen Kraft zu gewinnen. Berührend im besten Sinn, in einer Zeit, in der Berührungen so selten geworden sind.
Wenden wir unseren Blick nun zu Haydn und dem jungen Fischer, der, wie erwähnt, unglücklich war mit dem Knall der Pauke. Umso kraftvoller ließ er es hier angehen. Es knallte gehörig! Mit einem fast zu schnellen Finale, bei dem aber die Düsseldorfer Symphoniker problemlos mit dem Tempo-Sturzflug Fischers mithielten.
Natürlich gab es auch hier tüchtigen, immer wieder anschwellenden Applaus.
Und da war noch etwas, was wohl nur jetzt, in diesem Moment, so funktioniert hat: Die Zugabe – auch einer dieser Fäden. Denn zu einer anderen Zeit hätte diese einen ganz anderen Subtext gehabt. Aktuell rückt für viele die „Black Lives Matter“-Bewegung in den Fokus. Ádám Fischer, der durchaus als Menschenrechtsaktivist mit Taktstock und Partitur gelten kann, ließ es sich also nicht nehmen, als Zugabe für diesen Abend eine Komposition von Joseph Bologne, Chevalier de Saint-Georges, zu spielen. Typische Musik aus dem Frankreich des späten 18. Jahrhunderts. Untypisch jedoch die Biografie des Komponisten, der Sohn einer schwarzen Sklavin war.
Am Sonntag, 28. Juni, spielen die Symphoniker noch einmal, unter der Leitung von Axel Kober steht dann unter anderem George Gershwin auf dem Programm.
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