Lesung Ein Jazz-Buch – ohne Düsseldorf?
Düsseldorf · Wolfram Knauer las im Goethe-Museum aus seiner Geschichte des Jazz in Deutschland.
Zum guten Schluss wurde Jazzer Wolf Doldinger ein bisschen laut, nicht wie gewohnt auf seinem Saxofon, sondern in der ersten Reihe bei der Lesung aus Wolfram Knauers „Play yourself, man!“, die mit Kennern der Szene gut besetzt war. Und: Die hatten das Buch natürlich schon gelesen. Der Grund des Unmuts bei aller Anerkennung von Knauers wissenschaftlicher Leistung: In seiner Geschichte des Jazz in Deutschland kommt Düsseldorf nicht vor. Doldinger: „Das regt mich richtig auf!“
Verwiesen wurde von den Jazz-Fans alter Schule auf das legendäre Düsseldorfer Amateur-Jazz-Festival der 50er und 60er Jahre, ein deutschlandweiter Wettbewerb, aus dessen junger Szene nicht nur namhafte Talente wie Wolfs Bruder Klaus Doldinger hervorgingen, sondern von dem auch wichtige Impulse für die Entwicklung des Jazz in Deutschland ausgingen. Dem Gewinner winkte damals eine Reise auf Kosten von Coca-Cola an die Wiege des Jazz in New Orleans. Allgemeine Meinung in vorderster Front der Zuhörer: Das gehört da rein.
Der Autor, promovierter Musikwissenschaftler und Gründungsdirektor des Jazzinstituts Darmstadt kann Kritik gut ab und räumte ein: „Es muss immer einen Punkt geben, ein Buch zu überarbeiten.“
Apropos New Orleans: Vielleicht fließen dann ja noch andere Erinnerungen mit ein aus der Zeit, als Jazz im Rheinland noch krass mit a ausgesprochen und danach hemmungslos geschwoft wurde, nicht nur beim Jazz Band Ball bei Schlösser, sondern vor allem im legendären New Orleans in der Königstraße. „Klammerblues im Neff …“, seufzte einer.
Ursprung des von der Fachwelt gelobten Buches war eine kleine Erpressung des Verlages (Reclam), gestand Knauer, der als erster Nichtamerikaner „Louis Armstrong Professor of Jazz Studies“ an der Columbia University war und nicht nur über deren Namensgeber eine Biografie verfasst hat, sondern auch über Charlie Parker und Duke Ellington. Letzteren wollte der Verlag erst nicht: „Duke Ellington kennt doch keiner mehr“. Doch Knauers machte von dessen Biografie die deutsche Jazz-Geschichte abhängig und unterschrieb für beide Werke am selben Tag.
Auch ohne Düsseldorf ist Wolfram Knauers Geschichte des Jazz in Deutschland auf über 700 Seiten akribisch recherchiert, inhaltsschwer und reichhaltig. Sie beginnt nach dem Ersten Weltkrieg und reicht über das Berlin der 1920er-Jahre, schließt Kapitel wie „Spirituals im Kaiserreich“, „Der Tanz zum großen Crash“, „Geschlechtskrankheiten und Jazz“, „Vom Leben als Kellerassel“ nicht aus und beleuchtet die Jahre des Nationalsozialismus, als Swing und Jazz verpönt waren, dann die Entwicklung in der Nachkriegszeit, auch in der DDR, als Jazz in Deutschland mehr war als eine von amerikanischen Besatzern gelernte Musikrichtung.
Jazz bedeutete Individualität und Freiheit. Die manchmal schmutzigen Töne begleiteten und untermalten den bewussten Bruch mit der Elterngeneration. Knauer erwähnte als Beispiel Fritz Rau, den großen Konzertveranstalter, der zugab, in den 40er Jahren ein begeisterter Hitler-Junge gewesen zu sein und dann nach dem Krieg durch den Jazz seine eigene Entnazifizierung erfahren habe.
Wie es zu dem griffigen Titel „Play yourself man“ (Spiel dich selbst) kam? Es ist die Standardantwort schwarzer Musiker auf die Frage, wie man ein guter Jazzer werden könne, heißt es. So wie Wolf Doldinger, der am Samstag, 7. März, an gleicher Stelle im Goethe Museum in einem Sonderkonzert sich selbst spielt, allerdings mit seinen Best Friends. Beginn: 20 Uhr, Eintritt 20 Euro. Und: unter 18 Jahren frei. Der deutsche Jazz, speziell der Düsseldorfer, soll doch nicht nur eine Altherren-Bewegung sein.