Interview „Es mangelt an Produzenten von Computerspielen“

INTERVIEW Am Donnerstag startet im NRW-Forum das Games-Festival „Next Level“. Das Besondere: Die Computerspiele werden von Experten kuratiert und auch als Kunst inszeniert. Auch Düsseldorf wird Schauplatz eines digitalen Spiels.

Die Arbeit „Exploded Views“ des niederländischen Künstlers Marnix de Nijs. Er wird dieses Jahr mit der Installation „Ghosted Views“ erneut beim Next Level-Festival vertreten sein.

Foto: Robin Junicke

Beim „Next Level“-Festival im NRW-Forum kann man Spiele nicht nur ausprobieren. Die Veranstalter haben eigens Game-Designer und Künstler eingeladen, digitale Spiele-Parcours zu kuratieren. Wir sprachen darüber mit Christian Esch, Direktor des NRW-Kultursekretariats.

Herr Esch, Computerspiele wurden einst als Freizeitbeschäftigung vermeintlich sozial unterentwickelter Nerds abgetan. Später wurden sie mit dem polemischen Kampfbegriff „Killerspiele“ für eine gesamtgesellschaftliche Verrohung verantwortlich gemacht. Heute gehören digitale Spiele zur Alltagskultur. Wie kam es zu diesem Wandel?

Christian Esch: Als wir angefangen haben mit „Next Level“ vor fast zehn Jahren, war das genau die Stimmung. Und da haben wir nicht nur ermutigende und positive Signale dafür bekommen, dass wir Spiele als Kulturgut behandelt haben, weil sie als Ausweis von Unkultur oder auch von Gewalttätigkeit galten. Damals waren ja auch die Amokläufe in so einen Kontext gerückt worden. Wir mussten deutlich machen: So ist das nicht, sondern in Computerspielen steckt ein großes Potenzial. Jetzt haben wir eine sehr positive Haltung gegenüber Games.

Im Gegensatz zu anderen Gaming-Festivals wird es in Düsseldorf einen kuratierten Spiele-Parcours geben. Damit erhalten die digitalen Spiele den Status von Kunstwerken. Sind Videospiele Kunst?

Esch: Nicht jedes Video-Spiel ist Kunst, aber sehr viele sind es. Man muss sie natürlich suchen und finden. Deswegen eine Kuratierung.

Christian Esch, Direktor des NRW-Kultursekretariats.

Foto: Sven Pacher

Was sind denn die Kriterien, die ein Game kunstwürdig machen?

Esch: Das ist einerseits eine ästhetische Frage, und zwar nicht nur in dem Sinne, dass Spiele gut aufbereitet, grafisch gut geregelt und umgesetzt sind. Es geht auch um das Intellektuelle, also das, was herausfordert, was sich nicht von vornherein selbst erklärt. Und es geht darum, sich gleichzeitig mit dem Spiel selbst zu beobachten.

Ein Beispiel dafür wäre ja der Spiele-Parcours „Kein leichtes Spiel/Uneasy Play“ von Sebastian Quack, bei dem es um die Lust an der Schwierigkeit im Spiel geht. Was ist damit gemeint?

Esch: Das sind räumliche Inszenierungen mit Rollenspielen, es sind analoge und digitale Elemente. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob Spiele das Ziel haben, uns von der Wirklichkeit abzuschotten oder eine andere Wirklichkeit zu generieren, die mit der eigentlichen nicht viel zu tun hat und dadurch das Suchtpotenzial verstärkt. Man erfährt Herausforderung, Verwirrung und Frustration, die aber ein reizvolles Erlebnis darstellen.

Wie beim letzten Next Level-Festival wird auch dieses Mal der niederländische Medienkünstler Marnix de Nijs eine Installation zeigen. Sie nennt sich „Ghosted Views“ und wird sich auf Düsseldorf beziehen. Wie genau macht der Künstler das?

Esch: Er bezieht sich auf den Ehrenhof und auf die Locations dort vor Ort. Man kann sich virtuell durch die Landschaft im Ehrenhof bewegen und erhält immer wieder Einblicke in die Vergangenheit des Ehrenhofs. Gleichzeitig zeigt Marnix de Nijs, wie der Ehrenhof in die Stadt eingebettet ist, was ja in Düsseldorf ein großes Thema ist.

Die deutsch-österreichische Komponistin Brigitta Muntendorf wird ein Performance-Programm namens „Hello Avatar“ präsentieren. Da geht es um Avatare, also um eine künstliche Personen, die Computer-Spielern in der virtuellen Welt zugeordnet werden. Was kann der Zuschauer dort erleben?

Esch: Man erlebt, wie man als Spieler zum Avataren wird, sich in der Elektronik bewegt und dort mit Spielarten einer erweiterten Realität konfrontiert wird. Die Fragen lauten: Wie kann man sich vervielfältigen, sich abspalten, sich verlieren. Das machen Brigitta Muntendorf und andere Künstler auf musikalisch-szenische Art.

Nun werden digitale Spiele ja für die Kreativwirtschaft immer bedeutender. Wie steht es um Games als Wirtschaftsfaktor in Deutschland?

Esch: Es gibt eine Schieflage in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern wie den USA oder Japan. Dort werden wahnsinnig viele Games produziert und auf den Markt gebracht. In Deutschland gibt es einen riesigen Markt für den Konsum von Computerspielen, ebenso große Spiele-Entwickler-Szenen. Aber es gibt viel zu wenige Produzenten von digitalen Spielen in Deutschland. Das sollte sich ändern, um der Kreativität von Entwicklern mehr Chancen zu bieten.

Die Sphäre der digitalen Spiele scheint auch politisch immer wichtiger zu werden, zumal ja Angela Merkel seit letztem Jahr auch die Gamescom in Köln eröffnet. Welchen Nutzen zieht die Politik aus der Gaming-Industrie?

Esch: Die Politik hat erkannt: Hier ist eine Szene, die wir überhaupt noch nicht auf dem Schirm hatten. Wir haben immer so getan, als ob Computer-Spieler irgendwelche durchgeknallten Nerds sind, die mit Chips und Cola im Keller sitzen und nicht mehr ansprechbar sind. Das ist nicht so. Die Politik hat erkannt, dass dieses digitale „Neuland“ schon ganz schön lange existiert und bereits eine große Infrastruktur besitzt. Und jetzt ist „digital“ seit zwei, drei Jahren das Schlagwort für alles.

„Next Level 2018  - Festival for Games“ startet am Donnerstag um 17 Uhr im NRW-Forum und dauert bis zum 25. November. Infos zum Programm und zu Online-Tickets unter www.next-level.org