Neuerscheinung Andreas Wilinks neues Buch über Betrachtungen aus der „Fernnähe“

Düsseldorf · Der frühere WZ-Kulturredakteur Andreas Wilink hat ein Buch mit Porträts und Interviews herausgegeben.

Düsseldorfer Macbeth-Inszenierung von Jürgen Gosch sorgte für einen Theaterskandal.

Foto: ja/Schauspielhaus

Er kommt (und kam) Schauspielern, Regisseuren und Ausstattern nah. Wenn er auch den meisten fern bleibt. Und schreibt (schrieb) über sie, kritisierte Inszenierungen und Darsteller – zwei Jahrzehnte lang (bis 2001) auch als Mitarbeiter und Redakteur der Westdeutschen Zeitung. Anspruchsvoll war Andreas Wilink, Jahrgang 1957, von Beginn seiner Schreiber-Karriere an und orientiert(e) sich meist an hohen Maßstäben der darstellenden Kunst. Nun hat Wilink ein Buch herausgegeben mit 28 Porträts und Interviews mit Theater- und Filmkünstlern, die er durch seine ganz eigene Linse beschreibt. Entstanden ist nicht nur ein 270-Seiten-Buch mit dem programmatischen Titel „Aus der Fernnähe“, sondern in manchen Kapiteln beinah eine Autobiografie.

Neben den Größen, die bundesweit gewirkt, aber auch im Düsseldorfer Theaterleben ihre Spuren hinterlassen haben (wie Einar Schleef, Jürgen Gosch und Johannes Schütz), würdigt er in Interviews und Porträts ebenso Bühnenkünstler, von denen einige heute überwiegend fürs Fernsehen arbeiten. Und, wie Devid Striesow und Hannelore Hoger, zu Stars im TV geworden sind.

Der Autor des Buches, Journalist Andreas Wilink.

Foto: Judith Buss

Man muss kein Theaterkenner sein, um sich von Wilinks eigenwilliger, feinnerviger, manchmal berührender Porträtkunst mitziehen zu lassen, ebenso von seiner wohl dosierten Mischung aus Privatheit und berufsbedingter Distanz. Denn häufig erscheinen in Wilinks Bildnissen feine, klare Konturen. Und Einblicke in Brüche und Höhepunkte in Privat-Leben und Karriere der Künstler.

Im letzten Kapitel öffnet sich der sonst verschlossene, zurückgezogene, beinah scheue Autor und Kritiker und ermöglicht einen Blick in sein Innenleben. In einem Nachruf über einen jung verstorbenen Schauspieler der 1990er Jahre (Jens Bertold, der auch in Düsseldorf engagiert war) offenbart er seine eigene Gefühlswelt und seine Liebe zu dem schwierigen, unberechenbaren Schauspieler. Behutsam, empfindsam, diskret, wenn auch direkt und schnörkellos. So widmet er ihm das Buch.

Als lebendige Wesen, manchmal auch mit ihren Marotten, stellt Wilink sie dar in Nachrufen oder posthumen Porträts – wie im Kapitel über Einar Schleef (er brachte in Düsseldorf eine aufsehenerregende „Salome“ heraus), Jürgen Gosch (Düsseldorfer „Macbeth“ u.a. mit Devid Striesow), Werner Schroeter, der dem Schauspiel- und Opernhaus bedeutende, wenn auch streitbare Inszenierungen bescherte. Erstaunlich, wie es ihm gelungen ist, den 2009 verstorbenen Jürgen Gosch so munter und privat selbst über seine Familie zum Plaudern zu bringen, fürchteten doch Journalisten Gosch bei Interviews als den „großen Schweiger“.

Geschlossene Lebensgeschichten (Herbert Fritsch kennt Wilink seit 30 Jahren) finden sich in dem Buch genauso wie kurze Begegnungen (mit Sandra Hüller sprach er nur vier Stunden). Aus dem Rahmen fallen zwei Filmregisseure, denen der Kritiker nicht persönlich begegnete. Rainer Werner Fassbinder (1982 gestorben), der wiederum mit Werner Schroeter zusammenarbeitete, und Xavier Dolan (30), dessen Streifen bereits bei namhaften Film-Festspielen Preise gewonnen haben.

Sehr nahe kommen dem Leser auch herausragende Bühnen-Erscheinungen der aktuellen Ära Wilfried Schulz, wie Jana Schulz und André Kaczmarczyk, der androgyne Welt- und Luftgeist, der sich in vielen (zu vielen?) Schauspielhaus-Produktionen in Hauptrollen verausgabt. „Irrsinn“, wie Kaczmarczyk in den ersten Textzeilen seine Euphorie bezeichnet, „das Limit zu überschreiten…“

„Aus der Fernnähe“ – Begegnungen mit Bühnen- und Filmkünstlern. Leske-Verlag, 22,20 Euro.