Klassik gegen Konsumstress
Bachs Weihnachtsoratoriumbegeistert das Publikum in der Johanneskirche.
Düsseldorf. Kaum ein Werk ist geeigneter, um den vorweihnachtliche Konsumstress abzuschütteln, als das "Weihnachtsoratorium" von Johann Sebastian Bach. Seine Botschaft vermag es, den eigentlichen Kern des freudigen Festes wieder in den Blick zu nehmen: die Geburt Christi. Das gelingt umso mehr, wenn man einer so mitreißenden, ja fast mustergültigen Aufführung beiwohnen darf, wie sie jetzt in der Johanneskirche zu erleben war.
Bach integrierte Chöre und Arien aus früheren Werken, was man ihm lange vorgeworfen hat. Für uns wirkt gerade das reizvoll. Christus wird nicht wie in den Passionen unter nur einem Aspekt beschrieben, sondern erscheint schon bei seiner Geburt als ein vielschichtiger Charakter. Nicht allein die Armut, das Leiden, das Verkanntwerden zeichnen ihn aus, sondern ebenso seine zukünftige Größe und majestätische Würde. Wir sehen bereits den Tröster und künftigen Weltenrichter.
Kantor Wolfgang Abendroth versteht es meisterhaft, diesen Facettenreichtum zum Klingen zu bringen. Das Düsseldorfer Barockorchester musiziert auf authentischen Instrumenten mit oft solistischer Prägnanz. Die elegischen Oboen, die seufzenden Flöten, das erwartungsvolle Donnern der Pauken und über allem das helle Strahlen der Trompeten werden der Vielfalt der Christusfigur in jeder Nuance gerecht.
Das exzellente Solistenensemble benutzt die Elemente der barocken Verzierungskunst mit großer Leichtigkeit, um Mitleid, Ergriffenheit oder entzücktes Jubeln auszudrücken. Die Koloraturen werden nie mechanisch kalt. Max Ciolek (Tenor) transformiert die Noten zu einem inneren Beben.
Das Duett "Herr, dein Mitleid" von Dorothee Wohlgemuth (Sopran) und Thilo Dahlmann (Bass) überwältigt durch die synchrone Bewegung der aufgewühlt schnellen Stimmführung. Innig und warm dagegen die zu Herzen gehenden Kantilenen des Countertenors Patrick van Goethem.
Der Düsseldorfer Kammerchor hat eine hohe Stimmkultur entwickelt. Er ist noch nicht in allen Stimmlagen gleich stark, die oft frischen Tempi und der stets vorwärts drängende Sog Abendroths machen es den Sängern aber auch nicht gerade leicht, sich zu entfalten. Sie lassen sich aber bereitwillig von ihrem Dirigenten zu mutigen Interpretationen hinreißen, um dann in einem a-capella-Chor wie "Ich steh an deiner Krippen hier" in stiller Innigkeit zu schwelgen.
Wolfgang Abendroth ist ein große Gewinn für die Kantorei. Er dirigiert mit innerer Ruhe und bringt so jeden Künstler zur eigenen Höchstleistung, die er dann mit leichter Hand zu einem Ganzen zusammenfügt. Die grundsanierte Johanneskirche bot in ihrer hellen Modernität ein wunderbaren Rahmen für diesen großen Abend. Das Publikum dankte überschwänglich.